Beschluss: mehrheitlich beschlossen

Abstimmung: Ja: mehrh, Nein: 3, Enthaltung: 0

Herr Puhlmann stellt den Antrag wie folgt vor:

Gleichwertige Lebensverhältnisse sind in letzter Zeit in aller Munde. Wir reden regelmäßig über die Unterschiede zwischen ländlichen Raum und Großstadt. Es gibt große Unterschiede, bei denen Kompromisse geschlossen werden konnten. Allerdings gibt es Bereiche, in denen es keine Kompromisse bei der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse geben kann. Ein solcher Bereich ist die Einhaltung von Hilfsfristen bei Notfällen, also die Zeit von der Meldung eines Notfalles bis zum Eintreffen des Rettungswagens. Ich selbst habe im Zuge meiner Arbeit in den letzten Jahren häufiger den Fall gehabt, einen Rettungswagen rufen zu müssen. In Stendal, in der Osterburger Straße dauert es 5-10 Minuten, bis der Rettungswagen vor Ort ist. Selbstverständlich stellt man sich die Frage, wie lange es in den ländlichen Regionen dauert, bis die Einsatzfahrzeuge vor Ort sind.

Im Notfall zählt jede Minute. Kurze Hilfsfristen sind definitiv ein „MUSS“ bei der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse. Um diese Gleichwertigkeit herzustellen, hat der Gesetzgeber im Land im Jahr 2012 festgelegt, dass eine Hilfsfrist von 12 Minuten einzuhalten ist. Viele Landkreise haben es damals nicht eingehalten und bis heute gibt es dabei Probleme. Nicht zuletzt aufgrund der Größe unseres Landkreises, gibt es auch bei uns große Probleme mit der Einhaltung der Hilfsfrist. Im Jahr 2017 hat der Landkreis Stendal ein Gutachten erstellen lassen, um die Situation genau analysieren zu können. Aus diesem Gutachten kann ich folgende Zahlen zitieren:

-       Im Einsatzbereich Stendal wird die Hilfsfrist in 86 % der Fälle eingehalten.

-       In Havelberg wird die Hilfsfrist in 71 % der Fälle eingehalten.

-       Im Einsatzbereich Seehausen wird die Hilfsfrist in 56 % der Fälle eingehalten.

-       Im Einsatzbereich Kläden wird die Hilfsfrist in 32 % der Fälle eingehalten.

Daraufhin wurde ein neuer Rettungsdienstbereichsplan beschlossen, unter anderem mit neuen Rettungswachen, welche bei den langen Anfahrtszeiten Abhilfe schaffen sollen.

Im August 2019 wurde dieses Thema im Ausschuss für Ordnung, Umwelt und Landschaftsschutz noch einmal aufgegriffen mit der Information, dass noch Klärungsbedarf mit den Krankenkassen besteht.

Unser Antrag soll aber neue Aspekte in die Debatte mit einbringen. Nach Recherche der einbringenden Fraktionen gibt es erprobte Rettungswachen in Modulbauweise, welche den Vorteil mitbringen, dass diese gemietet und geleast werden können, so wie es von den Krankenkassen gefordert wird. Sie sind mobil einsatzbar und geben uns auf lange Sicht die Flexibilität auf Änderungen ohne große Aufwendungen reagieren zu können. Zudem können sie schnell in Betrieb gehen.

Unser Antrag hat daher folgende Ziele:

1.    Über den Stand der Realisierung zur schrittweisen Umsetzung des Rettungsdienstbereichsplanes (DS 543/2018) sind die Kreistagsmitglieder und  die Öffentlichkeit zu informieren.

2.    Wir wollen eine flexiblere und zukunftsfestere Option, mit den modularen Rettungswachen einbringen.

3.    Die neuen Rettungswachen müssen so schnell wie möglich entstehen.

Ich bitte um Zustimmung.

Herr Stoll führt wie folgt aus:

Sehr geehrte Frau Vorsitzende,

sehr geehrte Damen und Herren,

Der Rettungsdienstbereichsplan und deren Umsetzung hängen maßgeblich von ganz vielen finanziellen Faktoren ab. Sämtliche, im Rettungsdienstbereichsplan beschlossenen, organisatorischen Maßnahmen wurden in den letzten Jahren umgesetzt. Zu guter Letzt bleibt für uns nur noch die Notwendigkeit der baulichen Errichtung von neuen Rettungswachen. Diese Maßnahmen sind notwendig um zunächst DIN-gerechte Rettungswachen herzustellen. Eine DIN-gerechte Rettungswache sorgt dafür, dass die Ausrückezeit beim RTW und NEF bei 60 Sekunden liegt. Insbesondere geht es hierbei um den Gesundheitsschutz der Retter, denn eine Schwarz-Weiß-Trennung Desinfektionsabteilungen innerhalb der Rettungswache sind zwingend nach DIN vorgeschrieben.

Zum anderen sollen natürlich bauliche Errichtungen von Rettungswachen dazu geeignet sein, die Fahrzeit zu verkürzen, sodass im gesamten Landkreis innerhalb von 10 Minuten der entsprechende Einsatzort erreicht wird. Wir beabsichtigen dazu die Rettungswache in Seehausen zu verlagern. In Iden soll es eine neue Rettungswache geben. Die Rettungswache in Osterburg wird direkt an die Auf- und Abfahrten der Autobahn verlagert. In Stendal soll es eine zusätzliche zweite Rettungswache geben, damit über die Ortsumgehung die Möglichkeit besteht, an eine Autobahnauffahrt zu gelangen. In Bismark und Windberge soll es jeweils eine neue Rettungswache geben. Die Rettungswache in Tangerhütte soll in Richtung des Südrandes verschoben werden. In Tangermünde hat der derzeitige Standort auch nach dem Gutachten weiterhin Bestand, allerdings soll die Rettungswache DIN-gerecht umgebaut werden. Die Rettungswache in Havelberg soll in den Süden des Ortes verschoben werden, um die Hilfsfrist Richtung Kamern einhalten zu können. In Klietz soll eine neue Rettungswache entstehen, wobei die Bundeswehr ab 2020 einen Mietvertrag angeboten hat, um dort vorübergehend die Unterbringung eines Fahrzeuges und Personals zu gewährleisten.

Am 18.09.2019 gab es einen Verhandlungstermin mit den Kostenträgern zur Anmietung neuer Rettungswachen. Aus diesem Termin ging die klare Haltung der Krankenkassen hervor, dass eine ortsübliche Miete beispielsweise in Tangerhütte bei maximal 7€/m² liegen darf. Nach derzeitigen Ermittlungen liegt diese Rettungswache in den Herstellungskosten bei 860.000 €. Es ist keinem Investor beizubringen, so viel Geld zu investieren und er nur 7 € an Kosten pro m² in Rechnung stellen darf. Insofern gab es keine Einigung mit den Krankenkassen. Der nächste Schritt für den Kreistag ist also eine Satzung zu erlassen, in welcher die Kosten geregelt werden. Auch mit der Gefahr, dass im Kreistag ein Beschluss gefasst wird, dass der Landkreis im Verwaltungsgerichtsverfahren auf einigen Kosten sitzen bleiben würde. Diese Satzung werden wir in den nächsten Wochen erarbeiten, in den Ausschüssen vorstellen und dem Kreistag zur Beschlussfassung vorlegen.

Die übergangsweise Herrichtung (Container oder ähnliches) wurde ebenfalls mit den Kostenträgern besprochen. Die Krankenkassen haben dabei signalisiert, dass sämtliche Erfahrungen in Sachsen-Anhalt mit dem Mieten von mobilen Krankenkassen zu teuer sind und nicht übernommen werden. Es werden sich ausschließlich Investitionen, in bestehende Finanzierungsmodelle, einzelfallbezogen angeschaut. Problem dabei ist es auch, einen Investor zu finden, der eine solche temporäre Rettungswache plant, die Planungskosten übernimmt und ein Mietvertragsangebot macht. Sollten die Krankenkassen dann einer Übernahme der Kosten nicht zustimmen, bleibt der Investor auf allen Planungskosten sitzen.

Im Übrigen gab es wieder das Angebot der Krankenkassen, dass der Landkreis auch selbst Rettungswachen errichten darf. Dabei spricht man dann von einer Finanzierungszeit von 50 Jahren. Über die gewöhnliche Abschreibung könnte der Landkreis dann eine Rettungswache finanzieren, mit der Gewissheit circa 860.000 bis 1,5 Mio. € vorher aus dem Kreishaushalt ausgegeben zu haben.

Frau Dr. Paschke meldet sich zu Wort:

Ich habe zunächst eine folgende Nachfrage an Herrn Stoll, die er im Anschluss eventuell beantworten könnte: Seid wann ist bekannt, dass es Probleme mit den Krankenkassen gibt?

Als wir den Bereichsplan im Kreistag verabschiedet haben, wurde gesagt, dass die Krankenkassen damit einverstanden wären.

Im Mai gab es umfängliche Veröffentlichungen, dass der Landkreis Stendal gemeinsam mit dem Harz Schlusslicht sind, was die Hilfsfristen betrifft. Wir wissen, spätestens nachdem es Gesetzespflicht war, dass wir Entfernungen haben, wo allein durch die reine Fahrzeit von Rettungswache zum Einsatzort die Hilfsfrist nicht eingehalten werden kann. Was uns sehr stutzig gemacht hat, war die Aussage vom Land, wie es sein kann, dass Salzwedel mit Magdeburg an der Spitze der Einhaltung der Hilfsfrist liegt und der Nachbarkreis Stendal Schlusslicht ist. Dahingehend habe ich recherchiert, woran dies liegen könnte.

Unter anderem liegt es daran, dass der Landkreis Salzwedel schon wesentlich zeitiger ein Gutachten in Auftrag gegeben hat und die Kasse sich mit dem Kreis Salzwedel verständigt hat, egal wie das Gutachten ausfällt, dass  die Rettungswachen durch die Kassen finanziert werden. Dazu gab es einen Artikel in der Volksstimme, in dem der zuständige Dezernent bestätigt hat, alles richtig gemacht zu haben. Es wurde frühzeitig ein Gutachten in Auftrag gegeben. Zudem wurde der Landkreis Stendal gefragt, ob ein gemeinsames Gutachten in Auftrag gegeben werden soll. Der Landkreis Stendal hat dieses Angebot abgelehnt.

Nach Jahren hat dann der Landkreis Stendal ein Gutachten in Auftrag gegeben. In dieser Zeit sind die Baukosten so extrem angestiegen, dass man jetzt genau dieser Situation steht.

Ich möchte wissen: Wer hat damals irgendjemandem die Information gegeben, ob ein gemeinsames Gutachten erstellt werden soll? Warum wurde dieser Vorschlag vom Landkreis Stendal abgelehnt?

Der Vorschlag der Rettungswachen in Containern, sprich die modularen Rettungswachen, bitte ich zu prüfen. Es sollte zunächst ein Angebot eingeholt werden. Hauptsächlich in den westlichen Bundesländern wird auf solche Rettungswachen zurückgegriffen. Ich habe mich mit den Leuten dort in Verbindung gesetzt und die haben mir, auf die Kosten bezogen, eine ganz andere Auskunft gegeben.  Das hängt natürlich ganz davon ab, was für eine Rettungswache ich bauen will. Ich bitte daher um eine Prüfung und die Beantwortung der Fragen.

Herr Stoll antwortet wie folgt:

Sehr geehrte Frau Dr. Paschke,

die Probleme mit den Krankenkassen sind seit dem 18.09.2019 bekannt, das bedeutet es ist bekannt, dass die Finanzierungen nicht übernommen werden. Ich entnehme Ihren Ausführungen, dass Sie der Ansicht sind, dass Salzwedel tatsächlich DIN-gerechte Rettungswachen hat. Dem ist nicht so.

Zu der Statistik eines anderen Landkreises in Sachsen-Anhalt will ich mich nicht äußern. Die Idee eines gemeinsamen Rettungsbereiches haben die Krankenkassen seinerzeit ins Leben gerufen, mit der Maßgabe, dass sich beide Landkreise dem Ergebnis bedingungslos unterwerfen. Einem solchen Vorschlag können wir grundsätzlich nicht zustimmen. Nach dem damaligen Vorschlag, ein solches gemeinsames Gutachten mit der Unterwerfung vorzunehmen, sind bei uns im Landkreis nur wenige Wochen vergangen, bis die Entscheidung gereift war, ein eigenes Gutachten in Auftrag zu geben.

Herr Wiese wusste, dass die Krankenkassen eine Investition des Landkreises abgelehnt haben. Darüber wurde bereits letztes Jahr gesprochen.  Wenn Ihnen das neu ist und erst seit diesem Jahr bekannt ist, dann sollten wir die Protokolle der Vergangenheit noch einmal durchlesen. Das ist nichts Neues. Darüber wurde im vergangenen Jahr oder vor zwei Jahren im Kreis-, Vergabe- und Personalausschuss gesprochen.

Herr Stoll erklärt, dass er seinerzeit lediglich über die Möglichkeiten berichtet hat. Die Möglichkeit, dass der Landkreis selbst in Finanzierung geht, ist durch die Krankenkassen gegeben. Bei der Erläuterung ging es speziell darum, dass für eine Rettungswache die Ist-Kosten und Baukostenermittlung durchgeführt wurde. Dies wurde in einem Mietvertrag niedergeschrieben, welcher den Krankenkassen am 18.09.2019 vorgelegt wurde und bezüglich des Mietpreises verhandelt wurde. Dort war es das erste Mal, dass die Krankenkassen explizit geäußert haben, dieses Vorhaben so nicht zu finanzieren. Auf den Hinweis hin, dass wir uns dann vor dem Verwaltungsgericht in Form einer Normkontrollklage wiederfinden müssen, gab es die Aussage, dass wir es dann so tun sollen.

Weitere Wortmeldungen gibt es nicht, sodass die Vorsitzende den Antrag zur Abstimmung stellt.