Sitzung: 14.10.2009 Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit
Frau Dr. Paschke lässt darüber abstimmen, ob die Mitglieder der Ausschüsse damit einverstanden sind, dass der Offene Kanal diese Veranstaltung aufnimmt. Weiterhin wird gefragt, ob die Mitglieder der Ausschüsse zulassen, dass nach den Redebeiträgen der Sachverständigen in eine offene Diskussion eingetreten wird, das heißt, dass auch Nichtmitgliedern Nachfragen gestattet werden. Dagegen erhebt sich kein Widerspruch, damit wird entsprechend der vorgeschlagenen Verfahrensweise mit dem TOP 3 umgegangen.
Prof. Dr. Ewers stellt sich nochmals kurz vor. Er kommt vom Hygieneinstitut des Ruhrgebietes und ist dort Leiter der Abteilung für Umweltmedizin und Umwelttoxikologie. Das Hygieneinstitut ist eines der ältesten in der Bundesrepublik Deutschland. Seit Anfang der 50er Jahre wird an diesem Institut auch zur Lufthygiene und ihrer Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit geforscht. Es werden Messungen und Untersuchungen zu den Schadstoffen in der Luft durchgeführt. Schwerpunktmäßig beschäftigt sich das Institut mit der Innenlufthygiene. Auf dem Gebiet der Außenlufthygiene sind sie kaum noch tätig, aber hier ist festzustellen, dass sich die Luftqualität in den letzten 30 bis 40 Jahren enorm verbessert hat. Gleichwohl sind sie in Genehmigungsverfahren für Industrie- und Energieanlagen als Gutachter und Sachverständige tätig. Er ist als Sachverständiger eingeladen worden, um die Frage zu klären, führen Emissionen eines Steinkohlekraftwerkes zur gravierenden Verschlechterung der Luftqualität im Umfeld so einer Anlage. Die zweite Frage lautet, sind für die Bevölkerung Gesundheitsgefahren oder Gesundheitsrisiken in Bezug auf die Entwicklung von Lungenkarzinomen zu befürchten. Zunächst zur Frage, was sind mengenmäßig die wichtigsten Emissionen eines Steinkohlekraftwerkes. In Steinkohlekraftwerken werden täglich hunderte und tausende Tonnen von Kohle verbrannt und es werden enorme Mengen an Kohlendioxid ausgestoßen. Die Kohlendioxidproblematik ist allen bekannt, insbesondere die klimatologischen Folgen (Erderwärmung). Jedoch soll zu diesem Thema nicht gesprochen werden. Das Thema sind die mengenmäßig dominierenden Schadstoffe, die von Steinkohlekraftwerden emittiert werden. Drei Gruppen sind zu erwähnen, erstens Staubemissionen, hier spielt Feinstaub eine Rolle, zweitens Emissionen von Schwefeloxide, drittens Emissionen von Stickoxiden. Für alle drei Gruppen werden moderne Abgasreinigungstechniken eingesetzt wie Rauchgasentstickung, Rauchgasentschwefelung, Staubfilter und Abgasfilter. Gleichwohl emittieren diese Anlagen auf Grund der Mengen, die umgesetzt werden, erhebliche Mengen an Stickoxiden, Schwefeloxiden und Staub. Staub enthält eine Reihe von Elementen, in der Hauptsache Schwermetalle, die in höheren Konzentrationen giftig für den Menschen sind. Auch hier ist die Frage, wie wirken sich diese Stoffe auf die Gesundheit der Menschen aus. Man hat sich sehr früh mit den Auswirkungen befasst, aber erst spät ist man dazu übergegangen, Grenzwerte zu entwickeln zum Schutz der Menschen und anderer Schutzobjekte vor den schädigenden Auswirkungen von Luftschadstoffen. Bei den Grenzwerten kann man mehrere Arten unterscheiden: erstens Grenzwerte zum Schutz der menschlichen Gesundheit, zweitens Grenzwerte zum Schutz von Ökosystemen und der Vegetation, drittens Grenzwerte zum Schutz vor erheblichen Belästigungen oder erheblichen Nachteilen, viertens Grenzwerte zum Schutz des Bodens. Es wird nur auf die Grenzwerte zum Schutz der menschlichen Gesundheit näher eingegangen. Eine wichtige Rolle spielt die WHO, die Luftgüteleitwerte zum Schutz der menschlichen Gesundheit entwickelt hat. Diese Leitwerte beruhen auf wissenschaftlich ermittelten Werten, die Einhaltung dieser Grenzwerte spielt dabei zunächst keine Rolle. Feinstaub wird näher erläutert. Man unterscheidet zunächst die PM10-Fraktion, das sind Partikel, die einen Durchmesser von weniger als 10 µm haben. Die WHO hat einen Grenzwert von 20 µg pro m³ Luft festgelegt. Der Grenzwert für 24 Stunden beträgt 50 µg pro m³. Dann wurden Grenzwerte für sehr kleine Partikel, die einen Durchmesser von unter 2,5 µm haben, ermittelt. Diese betragen 10 µg pro m³ Luft und für 24 Stunden 25µg pro m³. Diese Werte beruhen auf wissenschaftlichen Ergebnissen. Dann gibt es noch Grenzwertempfehlungen für Schwefeldioxid: 20 µg pro m³ pro Tag und 500 µg pro m³ für 10 Minuten. Für Stickstoffdioxid 40 µg pro m³ pro Jahr und 200 µg pro m³ pro Stunde. Einige Grenzwerte der WHO wurden von der EU-Kommission übernommen. Für einige Werte hat die EU-Kommission eigene Werte festgelegt. Bei Feinstaub wurde der Tagesmittelwert von 50 µg pro m³ übernommen, jedoch werden laut EU-Richtlinie 2008/50EG Überschreitungen zugelassen, diese sind zulässig für 35 Tage im Kalenderjahr. Das hat man deshalb gemacht, weil in vielen Ländern in den Großstädten dieser Grenzwert nicht eingehalten werden kann. Aber dennoch soll man sich diesen Grenzwerten in den nächsten Jahren bis 2015 annähern. Bei Schwefeldioxid werden die Grenzwerte weit unterschritten. Es gibt heute in Deutschland flächendeckend Schwefeldioxidkonzentrationen im Jahresmittel unter 5 µg pro m³. Anfang der 80er Jahre war es noch 50 – 80 µg pro m³ Jahresmittelwert. Stickoxidgrenzwerte wurden von der WHO übernommen. Weitere Luftschadstoffe wie zum Beispiel Benzol spielen bei Kohlekraftwerken keine Rolle. Ebenfalls nicht zu beachten ist Benzol Athylen aus der Gruppe der zyklischen Kohlenwasserstoffe. Grund ist die hohe Verbrennungstemperatur in Kraftwerken. Zu beachten sind dagegen einige krebserregende Schwermetalle wie Arsen und Kadmium als Bestandteil von Feinstaub. Für diese gibt es Grenzwerte. Ein Vergleich der Jahresmittelwerte der Konzentration von Feinstaub, Stickoxide, Schwefeloxide in Stendal in den Jahren 1997 bis 2008 ist der Tabelle Seite 8 der Präsentation von Prof. Dr. Ewers zu entnehmen. Im Ergebnis haben sich die Werte für Feinstaub deutlich verbessert. Mit 20 µg pro m³ entsprechen sie den Richtwerten der WHO. Keine nennenswerten Veränderungen gab es in den letzten Jahren bei Schwefeldioxid und bei den Stickoxiden. Wichtig ist auch die Anzahl der Tage, bei denen diese Grenzwerte überschritten werden. 35 Tage sind zulässig im Jahr. Im Jahr 2003 gab es eine Überschreitung, da waren es 39 Tage. Ansonsten wird die EU-Richtlinie eingehalten (vgl. Tabelle S. 9). Diese Situation dürfte sich auch in Arneburg vergleichbar darstellen. In Tabelle 10 sind die Werte für die Hintergrundbelastung sowie die maximale Zusatzbelastung für Feinstaub Schwefeldioxid und Stickstoffdioxid angegeben. Das Kraftwerk Arneburg gibt es noch nicht. Als Vergleich diente das Doppelblock-KKW Hamm. Im Ergebnis ist festzustellen, dass es zu einer Zusatzbelastung kommen wird. Diese ist aber sehr klein und kaum messbar. Die Hintergrundbelastung und maximale Zusatzbelastung für die krebserregenden Stoffe ist aus Tabelle 11 ersichtlich, auch hier ist feststellbar, dass es u einer Zusatzbelastung kommen wird, jedoch ist auch diese so klein, dass sie teilweise messtechnisch kaum erfassbar ist. An der Luftqualität wird sich nachhaltig nichts ändern. Diese wird sich nicht gravierend verschlechtern, sie liegt deutlich unter den Zielwerten der EU-Richtlinie. Fasst man die Ergebnisse zusammen, so ergibt sich folgendes Fazit für den Bau eines Steinkohlekraftwerkes:
- Die Zusatzbelastung durch Luftschadstoffe durch die Emissionen eines Steinkohlekraftwerkes sind gering.
- Eine Verschlechterung der Luftqualität im Umfeld des Kraftwerkes ist nicht zu erwarten.
- Da es nicht zur Verschlechterung der Luftqualität kommt, sind auch keine nachweisbaren Auswirkungen auf die Gesundheit der Anwohner zu erwarten (vgl. S. 12).
- wirtschaftliche Strukturveränderungen haben in den vergangenen 25 Jahren zur Verbesserung der Luftqualität beigetragen.
- Im ländlichen Bereich, so auch in Stendal, werden die Grenzwerte für Luftschadstoffe deutlich unterschritten.
- Überschreitungen bei Feinstaub und Stickstoffoxid wird überwiegend auf verkehrsreichen innerstädtischen Straßen registriert.
Nur vereinzelt kommt es zu Grenzwertüberschreitungen bei Feinstaub im Nahbereich von staubemittierenden Industriebetrieben (vgl. S. 13). Sicher gibt es auch klimatische Auswirkungen, aber zu dieser Thematik sollte nicht gesprochen werden.
Herr Rettig: Wie kommt es zu den Unterschieden der Grenzwerte der EU und denen der WHO? Die Menschen auf der Welt sind doch nicht unterschiedlich. Unter dem gesundheitlichen Aspekt dürfte es nur einen Grenzwert geben. Die Abweichungen sind zwar minimal und in ländlichen Bereichen wie Stendal werden diese Grenzwerte nicht einmal erreicht, aber dennoch hat es Auswirkungen. So minimal sind die Abweichungen doch nicht, zum Beispiel bei Arsen, Schwefeldioxid und Kadmium würden sich die Werte verdoppeln.
Herr Dr. Ewers: Die Belastung verdoppelt sich. Aber auf sehr niedrigem Niveau, weil die Ausgangswerte auf sehr niedrigem Niveau sind. Auf wissenschaftlicher Basis werden Grenzwertvorschläge von wissenschaftlichen Gremien erarbeitet auf der Basis wissenschaftlicher Auswirkungen. Diese Vorschläge werden dann auf politischer Ebene, welche Verantwortung für die Gesetzgebung trägt, beraten. Dort sitzen nicht nur der Umweltminister und der Gesundheitsminister, sondern auch Wirtschaftsminister und Finanzminister. Die Grenzwerte der EU sind politisch verhandelte Werte. Das ist nicht immer wünschenswert, weil neben gesundheitlichen und Umweltaspekten auch andere wirtschaftliche Aspekte in den politischen Prozess der Gesetzgebung eingebracht werden.
Herr Kloth: Haben Sie Kenntnis, wie es in den Nachbarländer aussieht? Gibt es einen krassen Ausreißer, der die festgelegten Grenzwerte nicht einhält?
Prof. Dr. Ewers: Anfang der 90er Jahre gab es im oberschlesischen Bereich um Katowice in Polen noch eine große Überschreitung der Grenzwerte. Dieses hat sich in den letzten Jahren sehr verbessert, wie alte Betriebe geschlossen wurden, und Polen erhebliche Anstrengungen unternimmt, die Luftverschmutzungen zu verringen und die geforderten Grenzwerte zu erreichen. Im Bereich der EU sind die meisten Anlagen auf einem sehr modernen Stand. Erhebliche Überschreitungen der Grenzwerte resultieren eher, insbesondere im Mittelmeerraum, zum Beispiel in den Städten Madrid und Athen, aus den großen innerstädtischen Verkehrsaufkommen.
Herr Kühnel: In dem Antrag heißt es: der Kreistag fühlt sich der Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger verpflichtet. Das schließt die Befürwortung eines Steinkohlekraftwerkes aus. Denn trotz Filteranlagen würde das Steinkohlekraftwerk nachweislich zu gesundheitlichen Risiken und Beeinträchtigungen führen. Können Sie das bestätigen?
Herr Prof. Dr. Ewers: Es gibt sicher andere persönliche menschliche Gründe, die dazu führen, so ein Vorhaben abzulehnen. Aber aus umweltmedizinischer toxikologischer Sicht ist dieses nicht zu bestätigen. Auswirkungen auf die Verschlechterung der Luftqualität sind nicht messbar und nicht nachweisbar.
Frau Dr. Paschke: Die Einhaltung der Grenzwerte stellt aus medizinischer Sicht kein Problem dar, jedoch teilen Sie die Auffassung, dass die fortwährende dauerhafte Belastung der erhöhten Schadstoffwerte von Feinstaub über einen Zeitraum von 40 Jahren doch ein Problem für die menschliche Gesundheit darstellen könnte.
Herr Prof. Dr. Ewers: Die meisten Stoffe, mit denen man es in der Umweltmedizin zu tun hat, wirken in geringen Mengen tagtäglich auf den Menschen ein. Das betrifft Wasser, Boden, Luft, aber auch die vielen Produkte und Bedarfsgegenstände, mit denen wir täglich umgehen. Hier spielt natürlich die chronische Belastung, die sich über Jahre erstreckt, die entscheidende Rolle. Die Grenzwerte wurden auch unter dem Gesichtspunkt der Dauerbelastung ermittelt.
Herr Zimmermann: Die Grenzwerte haben sich doch im Laufe der Jahre und Jahrzehnte verändert. Ist nicht auch zu erwarten, dass sich die Grenzwerte zukünftig im Laufe der Jahre verringern, weil neue Erkenntnisse über Jahrzehnte auch im Bezug auf gesundheitliche Risiken der Bürger gewonnen werden? Grenzwerte verändern sich. Wenn wir sie jetzt erhöhen, nähern wir uns vielleicht einem späteren Grenzwert an, wenn das Kraftwerk 40 Jahre steht.
Herr Prof. Dr. Ewers: Grenzwerte sind ein offenes System. Immer dann, wenn neue Erkenntnisse vorliegen, werden sie verändert und angepasst. Die Anpassung kann nach oben und unten erfolgen. Meistens werden die Grenzwerte verringert.
Herr Kühnel: gibt es in Deutschland bei Steinkohlekraftwerken Bedenken für die Gesundheit der Menschen?
Herr Prof. Dr. Ewers: In den letzten Jahren habe ich an 8 Genehmigungsverfahren für solche Steinkohlekraftwerke mitgewirkt. In Nordrhein-Westfalen sind in den letzten Jahren viele neue Kraftwerke entstanden. Die neuen Kraftwerke arbeiten alle mit Importkohle. Ruhrpottkohle spielt keine Rolle. Der Transport der Importkohle erfolgt per Schiff. Bei diesen Genehmigungsverfahren gab es erheblichen Widerstand der Bevölkerung. Es gab sehr viele Einwendungen, wie das hier in Arneburg auch der Fall ist. Aber bei diesen Genehmigungsverfahren, so auch in Arneburg, ist es in unserem Rechtssystem so, dass der Antragsteller, der so eine Anlage errichten will, ein Recht auf Erteilung der Genehmigung hat, wenn er alle technischen Voraussetzungen für den Bau der Anlage erfüllt. Es sei denn, dass andere Bestimmungen nicht erfüllt und andere Dinge verletzt werden.
Frau Braun: War das jetzt ein Lapsus? Sie haben eben gesagt, das Kraftwerk, das in Arneburg gebaut wird.
Herr Prof. Dr. Ewers: Nein, nicht wird.
Frau Braun: Doch. Sie haben wird gesagt. Wir sind so informiert, dass die Entscheidung noch nicht gefallen ist. Es besteht noch gar kein Antrag. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das ein Versehen war. Das unterstelle ich jetzt mal. Sie sind doch dann bestimmt schon involviert.
Herr Prof. Dr. Ewers: Nein, ich bin hier als unabhängiger Sachverständiger. Ich bin kein RWE-Mann.
Frau Braun: Sie haben hier eine Vielzahl von Zahlen vorgestellt. Und Sie sind ja Wissenschaftler. Und ich denke, auch Humanist. Ich gehe davon aus, dass Sie das auch mit Ihrem Gewissen vereinbaren, was Sie hier vortragen. Ich habe dennoch eine Frage. Auch wenn die Emissionswerte und die gesetzlich vorgeschriebenen Werte eingehalten werden, dann hat man keine Chance, dagegen anzukommen. Aber auch wissenschaftliche Erkenntnisse entwickeln sich weiter. Es gibt gesundheitliche Auswirkungen, die wir noch gar nicht kennen. Können Sie es auch dann als Wissenschaftler noch mit Ihrem Gewissen vereinbaren, was Sie hier vertreten?
Herr Prof. Dr. Ewers: Ja. Die Grenzwerte beruhen auf den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Diese können Sie auch auf der Internetseite der WHO nachlesen. Das, was gesetzlich festgelegt ist, ist Ergebnis wissenschaftlicher Studien. Auch unter dem humanistischen Gedanken vor dem Hintergrund der Gesunderhaltung der Menschen ist es meine persönliche Philosophie und deshalb hätte ich keine Bedenken, dieses auch zu vertreten, anzuwenden und anzusprechen. Das entspricht dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand. Dass die Politik etwas anderes daraus macht, das muss man auch akzeptieren, denn es gibt auch andere Aspekte.
Frau Dr. Paschke bittet nun Herrn Puls um seine Ausführungen.
Herr Dr. Puls dankt Herrn Prof. Dr. Ewers für seine Ausführungen, muss ihm jedoch in einigen Passagen deutlich widersprechen. Es wurde bereits einiges über Feinstaub gesagt, und dieses soll auch mein Thema sein. Herr Dr. Nisch wird noch zu anderen Schadstoffen etwas ausführen. Zum Thema Feinstaub scheint es großen Informationsbedarf zu geben, wie ich auch von anderen Mitgliedern des Kreistages erfahren habe. Deshalb sind Sie auch alle gerne eingeladen zu meiner Informationsveranstaltung. Die Zeit der großen Industrieschornsteine haben wir hinter uns. Es gelingt uns heute, den groben Staub herauszufiltern. Was uns nicht gelingt ist das Herausfiltern des Feinstaubes und hier die ganz kleinen Teilchen des Feinstaubes. Diese sind aber am meisten gefährlich. Der ultrafeine Feinstaub ist am gefährlichsten. Je mehr große Staubteile herausgefiltert werden, umso mehr überwiesen relativ und auch absolut die kleinsten Feinstaubteile. Ich möchte folgende Aspekte herausstellen: RWE gibt an, eine Staubmenge von 300 t. Das ist schon erstaunlich wenig, denkt man. Das ist aber auch eine Forderung aus den Grenzwerten. Was hier durch RWE nicht genannt wird, ist die viel höhere Belastung, die durch Feinstaubpartikel, die sich aus den Abgasen bilden, nämlich aus Salzsäure, Schwefelsäure, Flusssäure aus Stickoxiden. Diese Teilchen gelangen mit einer sehr hohen Dynamik in die Atmosphäre, dieses sollte nicht vergessen werden, wenn wir hier von Grenzwerten sprechen (vgl. Bild 8 Präsentation Bürgerinitiative). Bei Verbrennungsprozessen entstehen primäre Partikel wie Rußteilchen, diese sind auch sehr klein, so dass man sie nur mit dem Elektronenmikroskop sehen kann. Und es gibt die sekundären Partikel, die insbesondere auch aus den Abgasen, Schwefelsäuren, Stickoxiden in der Atmosphäre entstehen. Diese sekundären Prozesse, die da ablaufen, das sind äußerst dynamische chemische und physikalische Prozesse. Es entstehen hier tausende Tonnen Chemikalien, die man nur schwer beurteilen kann. Es kommt zu ganz lebhaften Veränderungen dieses Aerosols, und die allerfeinsten Teilchen kommen relativ schnell zusammen, sie koagulieren. Was dann sehr stabil über Tage übrig bleibt, sind Teilchen mit einer Größe von 2,5 µm, und diese Teilchen sind sehr stabil. Sie können mehrere Tage, je nach Witterungsbedingungen, in der Luft verbleiben, und über weite Kilometer bis nach Berlin oder weiter, schweben. Diese Partikel, die sich als Aerosol durch die Luft bewegen, sind beladen mit den verschiedensten Schadstoffen. Das sind Schwermetalle, Halbmetalle, Arsen, Thallium, aber auch polyzyklische Kohlenwasserstoffe, Dioxine und Benzpyren. Die Partikel, die in der Altmark entstehen, die werden nicht in der näheren Umgebung des Kraftwerkes gemessen, diese ziehen nach Magdeburg und Berlin. Es ist schwierig, diese Partikel zu erfassen und zu messen, denn sie verteilen sich in einer unglaublichen Weise. Feinstaubpartikel sind nicht nur beladen mit allen möglichen Schadstoffen (Quecksilber, Arsen, Thallium und polyzyklischen Kohlenwasserstoffen), sie sind auch als solche, und zwar deshalb, weil sie äußerst klein sind, aber eine große Oberfläche haben, gefährlich. Die große Oberfläche ruft in den Geweben katalysatorisch Schäden hervor (siehe Bild 9). Beim Feinstaub gibt es unterschiedliche Partikelgrößen. Interessant sind die PM10-Partikel, die unterhalb von 10 µm. Darin enthalten sind auch die kleineren Partikel. Die PM10-Fraktion, die zwischen 2,5 bis 10 µm, diese sind in der Lage, sich in den Bronchien abzulagern und rufen hier Reizreaktionen hervor. Sie können chronische Bronchitis auslösen oder zu akutem bronchialen Erkrankungen führen. Die kleineren Partikel der alveolare Feinstaub, Partikel kleiner 2,5 µm, zwischen 0,1 und 2,5 µm, die lagern sich in den Alveolen (Lungenbläschen) ab und rufen hier Entzündungen hervor oder sind in der Lage, unterschiedliche Lungenerkrankungen hervorzurufen. Die ultrafeinen Staubteilchen unter 0,1 µm, die werden von den Alveolarepithelien und alveolaren Fresszellen gar nicht mehr registriert, die können durch die Membran durchgehen, direkt in das Gefäßsystem und in die Kapillaren hinein. Der Schwellenwert ist sicherlich willkürlich festgelegt. Festgelegt auf Grund realer Bedingungen, also ein Kompromiss an die Industriewelt. Es gibt aber kein Wirkungsschwellenwert unterhalb dessen, so sagen des die Internisten, unter dem ein Schaden auszuschließen ist. Das kann man in jedem medizinischen Gutachten immer wieder lesen. Der Schwellenwert ist insofern ein grober Behelfswert, der medizinische Sicherheit nicht bringt (s. Bild 10). Der WHO-Grenzwert von 20 µg pro m³ Jahresmittelwert ist ein Idealwert, der für unsere Region noch lange bleiben wird. Der Grenzwert ist willkürlich festgelegt, und es ist so, dass Feinstaub letztlich in jeder Konzentration gefährlich ist. Man kann keine Sicherheit garantieren. Die Medizin stellt einen linearen Zusammenhang her zwischen geringsten Messwerten und höheren. Auch bei sehr niedrigen Werten, bei einem Wert von Stendal 20 µg pro m³, sind Schäden nicht zu bezweifeln. Eine sehr niedrige Belastung schließt ein Erkrankungsrisiko nicht aus. Ein weiteres Problem ist, die Partikel PM10 oder 2,5 µm werden als Masse gemessen. Es müsste aber eigentlich gezählt werden. Denn die feinsten toxischen Partikel bringen kaum Gewicht auf die Waage. Mit dem Messwert PM10 werden nur grobe Partikel erfasst, die nicht mal so sehr gefährlich sind (s. Bild 16). Es gibt zahlreiche Untersuchungen und Veröffentlichungen, die bestätigen, dass es weltweit und auch in Deutschland infolge von Feinstaub eine Sterblichkeit gibt trotz der vieldiskutierten Grenzwerte. Das sind in Deutschland 65000 Menschen, die vorzeitig sterben. Das sind in erster Linie ältere Menschen, die unter Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden. Es sind die Menschen mit einer chronischen Bronchitis. Diese Zahl von 65000 Menschen wird auch nicht bestritten. Bei 25000 Menschen kommt es jährlich zu Neuerkrankungen infolge von Feinstaubbelastung. Und auch im Kindesalter gibt es bereits Atemwegserkrankungen und Lungenerkrankungen, wo es infolge von Feinstaub zu Todesfällen kommt. Das sind in Deutschland 90 Kinder. Auch diese Zahl wird nicht bestritten. Natürlich kommt es auch bei Kindern wie bei älteren Menschen durch Feinstaub zu Asthmaattacken. Das ist bei 500000 Kindern der Fall. Insgesamt wird der Verlust an Lebenszeit infolge Feinstaub durchschnittlich auf 10 Monate geschätzt (s. Bild 18). Eine Erhöhung des PM10-Wertes, den wir in Stendal nicht befürchten müssen, weil es weit in die Landschaft gepustet wird, bringt eine Sterblichkeit von 1% (s. Bild 19). Aber noch etwas ist zu beachten. Eine Tonne Quecksilber wird in der Landschaft verteilt. Quecksilber als schweres Metall fällt relativ weit aus, wenn es sich nicht an andere Stoffe bindet. Quecksilber fällt als Schwermetall in unmittelbarer Nähe des Steinkohlekraftwerkes aus, das heißt, in unserem Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe. Die Fische sind jetzt schon so stark belastet, dass sie nicht verkauft werden dürfen, dass sie nicht in den Handel gelangen dürfen und nur privat gegessen werden sollen. Wenn eine Belastung von einer Tonne Quecksilber in der nächsten Zeit dazu kommt, sammelt sich das im Boden an, das sind dann 40 t Quecksilber in 40 Jahren. Es sammelt sich im Boden in den Abwässern und den Gewässern und auch in der Nahrungskette an (s. Bild 21).
Herr Kloth: Sie sagten, es gibt keinen Wirkungsschwellenwert. Ich kann mich grob erinnern, Paracelsus hat vor mehreren hundert Jahren formuliert, ob etwas Gift ist oder nicht, entscheidet die Dosis. Wir sind alle umgeben von Schadstoffen, zum Beispiel Kohlenmonoxid und anderen. Wenn alles so gefährlich wäre, dann wäre es eine Katastrophe. Aber dann müsste man radikal sofort in Deutschland den gesamten Straßenverkehr verbieten, damit wir möglichst nahe aus Ihrer Sicht an den Grenzwert Null kommen. Aber was machen wir mit der Natur. Da kommen auch Schadstoffe vor. Gut ist aus meiner Sicht, dass wir hier in der Region Stendal über den Grenzwert 20 µg gar nicht reden brauchen, weil wir diesen weit unterschreiten. Wenn das mit dem Quecksilber stimmt, was dazu führt, dass der Fisch nicht in den Handel kommen darf, dann ist meine Frage, wo stammt das Quecksilber in der Elbe jetzt her und wie entwickelt es sich in den nächsten 20 Jahren. Haben wir dazu Erkenntnisse?
Herr Dr. Puls: Quecksilber ist ein weltweit verbreitetes Gift. Und in der ganzen Welt sterben viele Kinder durch Quecksilbervergiftungen oder werden schwer geschädigt (Nervengift). Quecksilber stammt weitestgehend aus den Verbrennungsprozessen. Es stammt aus Verbrennungsprozessen von Steinkohle. Seit Jahrzehnten wurde Steinkohle in Deutschland verbrannt. Quecksilber setzt sich als Schwebstaub im Boden ab, dort wird es aber nicht abgebaut, dort lagert es Jahrzehnte. Es wird langsam ausgewaschen und gelangt in unsere Flüsse und das ist der Grund dafür, dass die Elbe immer noch stark mit Quecksilber verseucht ist aus früheren Zeiten. Das Quecksilber befindet sich im Schlamm, es wird durch physikalische Prozesse herausgeschwemmt und wird von den Pflanzen aufgenommen und gelangt so in die Nahrungskette.
Herr Kloth: Es stammt also nicht aus den Chemiefabriken aus Tschechien?
Herr Dr. Puls: Natürlich stammt es auch daher. Dort wird ja auch verbrannt.
Frau Braun: Doch, es stammt auch aus der Industrie in Tschechien. Das ist historisch gewachsen.
Herr Dr. Puls: Die Dosis macht das Gift. Interessante Frage. Es ist aber in diesem Fall (Feinstaub) keine Dosisfrage. Ein einziges Molekül Benzpyren kann in einer einzigen Zelle die DNA zerstören und eine Krebszelle entstehen lassen. Es gibt jedoch die Immunabwehr und deshalb entsteht nicht dauernd eine neue Krebszelle. Aber diese Möglichkeit besteht grundsätzlich. So ähnlich wie bei der Einwirkung der Radiologie. Da kann ein Gammastrahl die DNA verändern und zu einer Entartung führen.
Herr Graubner: Die Aussagen, dass jährlich so viele Menschen sterben, das wäre ja für die Altmark eine Katastrophe. Erschreckend ist das auch mit der Kindersterblichkeit. Aber inwieweit ist das Zahlenmaterial belastbar.
Herr Dr. Puls: Diese Zahlen kann man alle nachlesen. Sie sind auch unbestritten, demzufolge auch belastbar.
Herr Wiese: Herr Dr. Puls, ich wundere mich, dass ich noch lebe. Ich habe nämlich viereinhalb Jahre in Halle gelebt als Student und da habe ich so einiges erlebt. Ich glaube, wir bekommen unsere Natur und unsere Umwelt nicht so staubfrei und steril, wie Sie es hier darstellen. Ich bin Herrn Prof. Dr. Ewers dankbar, heute einen sehr guten Vortrag gehört zu haben, der reale Zahlen darstellt und dass auch einmal andere Zahlen genannt werden, als hier durch die Bürgerinitiative verbreitet werden. Aber man muss doch auch real bleiben. Es wird in der Umwelt und in der Natur immer Probleme geben, die uns gesundheitlichen Schaden zufügen, ob wir ein Kraftwerk haben oder nicht. Fakt ist auch, dass dieser Feinstaub nach Berlin zieht. Ich gebe zu bedenken, dass wir meistens Westwind haben. Also, kommt der Staub bei uns an. Zum Glück auf einem sehr niedrigen Niveau, das muss man mal so feststellen. Und man muss auch folgendes feststellen: Es gibt viele Argumente, die gegen das Kohlekraftwerk sprechen. Aber man muss doch nicht, wenn reale Untersuchungen vorliegen, die Gesundheit vorschieben. Wenn es definitiv in vielen Bereichen nicht so ist. Es wundert mich dann, dass Herr Gabriel 30 neue Steinkohlekraftwerke in Deutschland bauen lassen will. Hoffentlich fliegt dieser ganze Feinstaub dann nicht zu uns, dann haben wir auch ein Problem damit.
Frau Braun: Herr Wiese, haben Sie eine Frage?
Herr Wiese: Das muss man hier mal so als Gegenfeststellung sagen dürfen. Alles, was von der Bürgerinitiative gesagt wurde, ist ein Horrorszenario. Hauptsache, wir leben morgen alle noch, auch ohne Steinkohlekraftwerk.
Frau Braun: Sie haben das angezweifelt?
Herr Wiese: Ich zweifele die Auswirkungen an. Wenn diese Aussagen stimmen würden, dann dürften im Hallenser Raum, in Bitterfeld und in Tagebaugebieten keine Menschen mehr leben. Im Übrigen leben im Ruhrgebiet die Menschen auch noch.
Herr Dr. Puls: Es sterben natürlich nicht alle. Aber die Menschen, die vorzeitig sterben, sind überwiegend ältere Menschen, das sind Kreislauflabile, das sind Menschen mit chronischen Erkrankungen, zum Beispiel mit chronischer Bronchitis. Eine genaue Zahl kann ich jetzt nicht sagen, aber die chronische Bronchitis steht in der Sterblichkeit von internistischen Erkrankungen an dritter/vierter Stelle. Wo kommt die chronische Bronchitis her? Natürlich vom Rauchen, aber auch von Industriestaub. Sie können froh sein, wenn Sie in so einer Gegend gelebt haben, dass Sie noch so gesund sind, es hätte auch anders sein können. Diese Horrorzahlen, die Sie nachlesen können, zum Beispiel von Quecksilber 5 Millionen m³ Abgas in der Stunde, 11 Millionen m³ Kohlendioxid, die stammen nicht von der Bürgerinitiative, die stammen von RWE. Die Betreiber von Kraftwerken sind verpflichtet, diesen Schadstoffausstoß offen zu legen. Auf RWE gehen diese Zahlen zurück.
Frau Dr. Paschke dankt Herrn Dr. Puls für seinen Vortrag und bittet nun Herrn Dr. Nisch um seine Ausführungen.
Herr Dr. Nisch stellt sich kurz vor, und sagt, dass er viele Jahre als Facharzt für Allgemeinmedizin in Havelberg tätig war. Aus den vorgelegten Unterlagen konnte man sich informieren, welche Stoffe aus einem Steinkohlekraftwerk in die unmittelbare Umgebung unserer Heimat gelangen. Wir wissen aus der früheren Vergangenheit (Senftenberg, Borna, Schwarze Pumpe), was das für die nähere und weitere Umgebung eines solchen Energieriesen bedeutet. Wir wissen auch, dass die modernen Werke viele Neuerungen aufweisen, so dass sie den gesetzlichen Bestimmungen und Vorschriften wohl entsprechen. Daher erscheinen sie zunächst akzeptabel. Natürlich sind die neuen Kraftwerke viel besser als die alten. Wir wissen aber, welche Mengen an Kohlendioxid, Schwermetallen, Stäuben und anderen Giften kondensiert über die Kühltürme in die Umwelt gelangen. Problematisch ist die Summation der schädigenden Eigenschaften der einzelnen Substanzen, die sich im Ergebnis ihrer negativen Wirkung potenzieren und so verstärkt mehr als wenn sie einzeln wirken, eine Dauerbelastung darstellen, die auf uns einwirkt, auf Lebewesen, auf Pflanzen und Menschen. Hinzu kommt ca. 30 Grad warmes Wasser, das in die Elbe eingeleitet wird, da eine Wärmerückkopplung nicht vorgesehen ist. Die genannten Stoffe lagern sich auf dem Boden in Pflanzen, in der Vegetation und im Wasser ab. Ein Teil der schädigenden Substanzen wird von den niederen Pflanzen aufgenommen. Diese Pflanzen dienen als Nahrungssubstanzen und an oberster Stelle der Nahrungskette stehen die Menschen. Diese sind sozusagen der Endverbraucher oder auch das Endreservoir für die schwer abbaubaren toxischen Produkte, die ein solches Kraftwerk ausstößt. Die wichtigsten Stoffe sollen im folgenden aufgezeigt werden. Es geht nicht um Polemik gegen ein möglicherweise geplanten Bau eines Steinkohlekraftwerkes. Es geht darum, die möglichen zu erwartenden gesundheitlichen Probleme anzudeuten und darauf aufmerksam zu machen.
- Chlorverbindungen: Es gibt etwa 50 Chlorverbindungen, die toxisch sind. Viele wissen das selbst von Salzsäureprodukten. Sie bewirken Schleimhautreizungen in Auge, Nase, Bronchien. Einige Verbindungen sind Leber-, Nieren- Nerventoxisch, sie können Störungen im Immunsystem produzieren und Probleme bei der Fortpflanzung verursachen durch Hormonnachahmung. Chlorverbindungen werden auch gesondert in Fetten gespeichert, in diesen Fetten sind sie nur sehr schwer abbaubar.
- Fluorverbindungen rufen Schleimhautreizungen, Brechdurchfälle, Muskelschwellen, Herzrasen und Kreislaufprobleme hervor.
- Quecksilber. Über Quecksilber ist schon vieles gesagt worden. Es wird in großen Mengen durch menschliche Aktivitäten freigesetzt. Es wird geschätzt, dass jährlich weltweit etwa 2200 t als gasförmiges Quecksilber in die Atmosphäre abgegeben wird, zudem noch in erheblichen Mengen in Böden und Gewässer. Die größte Emissionsquelle ist die Kohleverbrennung. In Stein- und Braunkohle tritt zwar das Quecksilber nicht in so großen Mengen auf, aber diese riesengroße Masse an täglich verbrannter Steinkohle, insbesondere, wenn hier Petrolkoks zugefügt wird. Dass dieses gemacht wird, ist in der Studie bei RWE nachzulesen. Dadurch kommt es zu einer ganz signifikanten Steigerung der Toxizität. Auf Grund der bekannten Gefahren freigesetzten Quecksilbers wird derzeit auf der Ebene der UN-Weltprogramme UNEP diskutiert, ob ein eigenes internationales Abkommen mit dem Ziel der weltweiten Senkung der Emissionen verabschiedet werden soll. Das ist aber noch im Fluss. Quecksilber verdampft bei Zimmertemperaturen, es schädigt die Schleimhäute, es kann oral durch den Mund aufgenommen werden, es ist kapillar toxisch und zentralnervös toxisch. Das heiß, es kann zu Schädigungen des Groß- und Kleinhirns kommen mit den entsprechenden Nachfolgen. Und man wundert sich, weshalb die Erkrankungen wie Demenz, Parkinson zunehmen. Hinzu kommen Leber- und Nierenschäden, Herz-Kreislauf-Probleme, Magen-Darm-Probleme, Schleimhautentzündungen. Es schädigt die Plazenta und es schädigt das Kind. Es kann in die Muttermilch übergehen und dort seine toxische Wirkung entfalten.
- Kadmium. Kadmium hat eine lange biologische Halbwertzeit. Es kann akkumulieren, also sich aufstauen, aufbauen in der Leber, in der Niere, in der Muskulatur, und nach längerer chronischer Einwirkung kann es zu Lungenproblemen und Schwindelerscheinungen kommen.
- Arsen kann durch den Mund, durch die Atmung, durch die Haut aufgenommen werden. Leber, Nieren und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind möglich. Die Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädigender Stoffe der Deutschen Forschungsgesellschaft DFG stuft Arsen als anorganische Arsenverbindung als einen eindeutig krebserregenden Stoff ein.
- Blei. Bei der Exposition von Blei steht die langfristige Wirkung im Vordergrund. Chronische Bleibelastungen können Anämie, Hypokrupp, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Abgeschlagenheit auslösen. Bei vorkindlicher Exposition und frühkindlicher Exposition stehen die Wirkungen auf das Nervensystem sowie auf die Fortpflanzung im Vordergrund. Die DFG hat 2006 Blei und seine anorganischen Verbindungen als krebserregend für den Menschen angegeben.
- Stickoxide. Dazu wurde bereits etwas gesagt. Atemwegserkrankungen und die Blutgefäße können geschädigt werden. Sie sind bei der Übersäuerung der Umwelt und bei der Entstehung des sauren Regens mit beteiligt.
- Schwefeldioxide. Diese werden frei bei Vulkanausbrüchen auf natürlichem Weg und bei der Verbrennung von Steinkohle und bei Petrolkoksbeimengungen. Schleimhauterkrankungen, Atemwegserkrankungen, Versäuerung der Gewässer, Zunahme der Vermoosung des Bodens sind Auswirkungen.
- Thallium baut sich nur sehr langsam ab, es verursacht Nervenschäden infolge des Markscheibenzerfalls bei den Nerven. Es kann zu Lähmungen, Taubheitsgefühl, Sehstörungen, Haarausfall und zu Herz- und Leberschäden kommen.
- Zinn. Magenstörungen, Atemstörungen, Kopfschmerzen werden hervorgerufen. Zinn ist aber auch wichtig für die Vitamin-D12-Synthese zur Regenerierung des Blutes. Bei einem Überangebot verursacht es Schilddrüsenkomplikationen, Herzrasen, Übelkeit und Brechreiz.
- Kupfersalze verursachen Speichelfluss, Übelkeit, Kreislaufbeschwerden, zerebrale Anfallserscheinungen.
- Nickelsalze sind atemtoxisch, lebertoxisch, nierentoxisch, sensibilisierte Wirkung, zum Beispiel Allergien, auch bei kurzzeitiger Inhalation, kann es zu toxischen Defekten der Lunge kommen. Laut DFG ist Nickel als humankanzerogen, also krebserregend für den Menschen, eingeordnet.
Noch einige sozialmedizinische und umweltbezogene Bedenken, die sich auf das geplante Steinkohlekraftwerk in Arneburg beziehen, möchte ich äußern.
- Schadstoffe wirken über große Entfernungen über den Radius der umliegenden Ortschaften weit hinaus, je nach Witterung (Regen, Wind, Hochdruck- oder Tiefdruckgebiet).
- Alles Steinkohlekraftwerke verschlechtern die Umweltbilanz global, ganz besonders durch den Kohlendioxidausstoß, auch wenn er den gesetzlichen Normativen entspricht. Es entsteht mehr und mehr ein ungesundes Klima. Feinstäube, Schwermetalle, Kohlendioxide und andere ebenfalls der gesetzlichen Norm entsprechenden Schadstoffe verschlimmern Atemwegs-, Herz-Kreislauf-, Nieren- und Lebererkrankungen. Sie rufen Depressionen und Demenz hervor. Der Mensch kann vom ungeborenen Entwicklungszustand bis ins hohe Alter Schäden davon tragen. Das Problem ist die Summation der einzelnen Defekte auf den Menschen.
- Ein Energiegigant mit zwei Türmen von ca. 166 Metern wirkt besonders in dieser exponierten Lage in Arneburg auf die den Radwanderweg nutzenden Touristen abstoßend. Lauf Information nutzen über 14000 Touristen jährlich den Radwanderweg. Wenn man bedenkt, dass diese zwei bis vier Tage bleiben, so wirkt sich das auch auf den Arbeitsmarkt aus. Die Gäste, die diesen beliebtesten Radwanderweg Deutschlands benutzen, besuchen den Havelberger Dom und die Arneburger Kirche. Diese würden dann schon lange vor Erreichen des Zieles ein Koloss sehen, dreieinhalb Mal so hoch wie das Havelberger Baudenkmal. Dieser Zustand würde sich auf den Tourismus, von dem unsere Region auch leben will, sicher nicht positiv auswirken.
- Es werden ca. 110 Arbeitsplätze genannt. Wir wissen aber auch, dass diese Zahl für unsere Region nie zum Tragen kommen kann, da entsprechende Fachkräfte überhaupt nicht vorhanden sind, und andere Arbeitskräfte von alten Kraftwerken, die abgebaut werden, sicher umgesetzt werden. Die Bauarbeiten werden sowieso ausgeschrieben und von Bauarbeitern aller Länder ausgeführt.
- Die Landwirtschaft und vor allem die Biolandwirtschaft, der Bioanbau, müssen einbrechen, da die hygienischen Anforderungen infolge der Schwermetallablagerungen nie erfüllt werden können. Demzufolge wird es mehr und mehr Insolvenzen und Arbeitslose geben, die Abwanderung, insbesondere Jugendlicher, wird anhalten, sich fortsetzen oder sogar erhöhen.
- Auch die Kleingärtner und Kleintierhalter bangen um ihre Erträge. Der Wert der Grundstücke und Immobilien wird, wie jetzt schon westlich der Elbe, abrutschen.
- Schwermetalle und auch andere abgeschiedene Schadstoffe lagern sich besonders in Fetten ein und bauen sich kaum ab. Wir als letztes Glied der Nahrungskette nehmen diese Stoffe auch mit Fisch, Fleisch und Pflanzen auf. Sie werden in unserem Körper
- gespeichert und entfalten über Jahrzehnte ihre toxische Wirkung. Es baut sich eine Schädigung im Laufe der Jahrzehnte auf. Das ist das Problem.
- Wir sind nicht gegen Energiegewinnung in Arneburg. Aber wir sprechen uns gegen eine Energiegewinnung aus in dieser Region, die keineswegs den modernsten Normen fortschrittlicher Industrieländer entspricht, wobei es genügend Alternativen wie Solar-, Geo- Bioenergie gibt, die für alle Menschen ausreichend und unschädlich bereitgestellt werden kann. Dort ist die Zukunft.
- Wir benötigen in dieser Gegend keine zusätzliche Energie. Wir sind ein Stromexportbereich. Wenn schon Energiegewinnung, dann sollte, wie gesetzlich festgelegt, auf Alternativenergien ohne Kohlendioxid und andere Schadstoffe gesetzt werden. Diese Energieerzeuger sollten dann auch je nach Art der Energiegewinnung in der Nähe der Verbraucherzentren liegen, um Verluste und Kosten für die Steuerzahler zu vermeiden.
- Es besteht auch die Sorge um die Elbe mit dem Ausbau der Hafenanlagen und alles, was in diesem Zusammenhang neu gemacht werden sollte. Der Bau eines Steinkohlekraftwerkes würde den Weg zur Erzeugung von Alternativenergie in unserem Umfeld für 40 Jahre blockieren.
- Auch das CCS-Verfahren für die Verbesserung des Kohlendioxids erscheint zur Zeit keineswegs sicher, denkt man an die Dauerlager Gorleben und Asse. Keiner hat vor Jahrzehnten geahnt, dass dort etwas passieren könnte. Das kann niemand wollen, dass so etwas auch hier passiert.
Abschließend bitte ich die Mitglieder des Kreistages, die Bedenken der Bürger ernst zu nehmen und sie in die Entscheidung einzubeziehen.
Herr Dr. Heckenberger: Herr Professor Dr. Ewers, ich habe eine Frage. Wenn Anlagen genehmigt wurden, wurde in der Vergangenheit auch Begleitmonitoring initiiert, um den Gesundheitsstatus der umliegenden Bevölkerung zu beobachten.
Herr Prof. Dr. Ewers: Ich kenne keine Studie, die durchgeführt worden ist, aber es ist durchaus möglich, zu evaluieren, ob sich zum Beispiel etwas geändert hat in der Häufigkeit von Atemwegserkrankungen.
Frau Braun: Herr Prof. Ewers, würden Sie bitte noch etwas zu den Widersprüchen zwischen Ihren Aussagen und den Aussagen von Herren Dr. Puls etwas sagen.
Herr Prof. Dr. Ewers: Herr Dr. Puls hat eine Vielzahl von Effekten angesprochen, das ist alles richtig. Man muss jedoch sagen, alle diese Effekte, zum Beispiel Schwermetalle, Reizgase, treten nur bei hohen Konzentrationen auf, aber bei geringen Dosen, in die wir involviert sind, nicht. Hier gilt durchaus der alte Paracelsus. Ich möchte nochmals betonen, wir haben gerade im Bereich der Luftreinhaltung eine enorme Verbesserung der Luftqualität. Die Belastung mit Schwermetallen ist deutlich geringer, als das noch vor 20 Jahren der Fall war. Es gab auch einen enormen Rückgang der Oxydationsprodukte, der Schadstoffe in der Milch und beim Körperfett in den letzten 20 bis 25 Jahren. Die Eltern heutiger Kinder waren in ihrer Kindheit sogar fünfmal stärker belastet, als das Kinder heute sind. Zur Feinstaubbelastung und den Folgen der Feinstaubbelastung am Beispiel Stendal gibt es folgendes zu sagen. Wir haben ein Jahresmittelwert von 20 µg pro m³. In den umliegenden Gemeinden von ca. 15 bis 20 µg pro m³. Wenn nur in Stendal alle Heizungen stillgelegt würden, und auch der KfZ-Verkehr, dann hätten Sie in Stendal immer noch Feinstaubkonzentrationen von 15 bis 20, wahrscheinlich 18 µg pro m³. Das liegt daran, dass die Feinstaubbelastung überwiegend großräumig durch überregionale Messung bestimmt wird. Zur Partikelmassenkonzentration gibt es folgendes zu sagen. Es ist so, die großen Partikel sinken relativ schnell zu Boden. Das heißt, sie emittieren schnell und sind in der Luft nur jn geringer Anzahl vorhanden. Die kleineren Partikel unter 1 µm haben eine viel geringere Emissionsgeschwindigkeit, werden über große Entfernungen transportiert und das führt dazu, dass diese Partikelzahlen enorm groß sind. Aber sie bringen kaum Gewicht auf die Waage. Da wäre es wichtiger, die Anzahl der Partikel oder die Oberflächenkonzentration zu messen, als die Massenkonzentration. Es wurde angesprochen, dass diese Kraftwerke eine Menge Stoffe emittieren. Das ist auch richtig. Es ist zu unterscheiden zwischen wasserlöslichen Partikeln und wasserunlöslichen Partikeln, wie zum Beispiel Schwermetall. Feinstaub und Schwermetalle können auch Effekte auslösen. Das nächste Problem ist die Aussage, es gibt keinen Schwellenwert für Feinstaub. Ich möchte erläutern, wie dieser zustande gekommen ist. Man hat in verschiedenen Ländern, in den USA und Europa, eine Studie gemacht, in der man Gebiete mit unterschiedlicher Feinstaubbelastung verglichen hat, in Bezug auf die Morbiditätsrate, in Bezug auf die Lebenserwartung und in Bezug auf verschiedene Arten von Atemwegserkrankungen. Man hat festgestellt, dass es einen statistischen Zusammenhang gibt zwischen der Höhe der Atemwegsbelastung und der Morbidität und der Lebenserwartung. Andererseits muss man sagen, es ist schwer, einen Schwellenwert zu ermitteln, denn statistisch auswertbar sind nur Werte, die bei einer großen Population ca. 400000 bis 500000 Menschen ermittelt wurden. In Arneburg leben nur ca. 1000 Menschen, für statistische Erhebungen wäre diese Population zu gering, es würde die Ergebnisse verfälschen. Auch wenn diese über 40 Jahre untersucht würden, wären diese Ergebnisse in der Praxis nicht verifizierbar, weil gesicherte Werte über Risiken nur bei der Untersuchung großer Populationen zu erhalten sind. Als letztes ist zu sagen, dass die Lebenserwartung in der Bundesrepublik Deutschland beeindruckend zugenommen hat. In den letzten Jahren im statistischen Durchschnitt um 1 bis 2 Monate.
Herr Burkhardt: Die Zunahme der Lebenserwartung will ich bezweifeln. Allerdings kann ich auch nicht genau sagen, ob wir bei der Lebenserwartung einen Rückgang haben.
Frau Braun: Herr Professor Dr. Ewers, mir ist noch einmal wichtig, herauszuarbeiten, dass die Aussagen des örtlichen Experten, Herrn Dr. Puls, zutreffend und wahrheitsgemäß sind. Darauf lege ich hier großen Wert.
Herr Prof. Dr. Ewers: Ja, es stimmt.
Herr Dr. Puls: Die Zahlen, die ich vorgetragen habe, beziehen sich auf europäische Forschungsergebnisse und auf Deutschland. Sie beziehen sich nicht auf die Altmark. Noch haben wir hier eine gesunde Luft und wir wünschen uns das auch für die weitere Zukunft.
Herr Burkhardt: Herr Prof. Dr. Ewers, in dem Kraftwerk soll ja Petrolkoks verbrannt werden, aber auch Müll. Und wir wissen ja, dass durch die Verbrennung dieser beiden Substanzen sogenannte Seweso-Gifte entstehen. Und über die Gefährlichkeit der Gifte muss ich Sie ja nicht informieren. Warum waren die nicht Gegenstand Ihrer Betrachtung? Warum werden sie überhaupt nicht aufgeführt? Sie erscheinen nirgendwo als Parameter, sie kommen aber in Riesenmengen vor. Bei einer Müllverbrennungsanlage werden laut Bundesemissionsschutzgesetz hohe Anforderungen gestellt, aber beim Kohlekraftwerk nicht. Aber die Dioxide bei ihrer großen Gefährlichkeit fallen an, und warum sind diese nicht einbezogen?
Herr Prof. Dr. Ewers: Mein Informationsstand ist, dass das ein Kohlekraftwerk werden soll. Ich weiß nicht, dass hier eine Müllverbrennung vorgesehen ist. Wenn eine Müllverbrennung vorgesehen ist, dann gibt es hier sehr strenge Anforderungen der Emissionsgrenzwerte der giftigen Stoffe. Die heutigen modernen Müllverbrennungsanlagen sind überhaupt nicht mehr zu vergleichen mit alten Werken. Mit dem heutigen Stand der Technik in der Abgasreinigung hat man keine erhöhten Grenzwerte und damit einen sehr guten Stand.
Herr Briesenick: Welche Argumente gibt es, das Kraftwerk hier in dieser Region zu bauen. In der Zeitung war eine ganze Liste von Atomkraftwerken, die sind alle deutlich kleiner als 1600 Megawatt und die Liste der Kohlekraftwerke, die in Deutschland gebaut werden sollen, da wäre Arneburg eines der größten. Und warum kommt es in diese Gegend, die so schön natürlich ist? Will man hier ein Industriegebiet draus machen, Ruhrgebiet II? Ich begreife das nicht. Wissen Sie etwas darüber, was die wirklichen Hintergründe sind?
Herr Prof. Dr. Ewers: Ich kann Ihnen dazu nichts sagen. Die Planung liegt bei RWE intern. Aber man hört heute immer wieder, dass Kraftwerke erst wirtschaftlich betrieben werden können, wenn sie eine bestimmte Größe haben. Strom wird gehandelt an der Strombörse Leipzig und das führt dazu, dass die Kraftwerke alle unter einem sehr großen Kostendruck stehen. Die Kraftwerke müssen Strom so kostengünstig wie möglich produzieren.
Herr Padelt: Es geht mir um das Problem Steinkohle als Halde. Es wird ja aufgeschüttet in Arneburg und Sie wissen auch, dass Steinkohle Uran enthält und andere radioaktive Stoffe. Es ist bekannt, dass in den USA tausende Tonnen Uran gewonnen wurden und auch in Deutschland in der Industrie. Ich habe ein Problem. Es gibt Atomkraftwerke, da gibt es in einem Radius von 5 km in der Umgebung ein erhöhtes Krebsrisiko. Es ist aber auch bekannt, dass in der Umgebung von Kohlekraftwerken die Krebshäufigkeit bei Kindern weitaus höher ist. Warum gibt es nichts in Ihren Ausführungen. Sie haben gesagt, es sind keine gesundheitlichen Auswirkungen zu erwarten. Sie haben auch gesagt, dass das Risiko verschwindend gering ist, an Krebs zu erkranken. Aber man kann doch an Krebs erkranken. Warum verschweigen Sie etwas.
Herr Prof. Dr. Ewers: Das Risiko, an Krebs zu erkranken, ist Null. Das Grundrisiko an Krebs zu erkranken, betrifft ca. ein Drittel der Menschen. Ein Zusammenhang mit dem Kohlekraftwerk lässt sich nicht herstellen.
Frau Timmreck: Ich möchte zusammenfassen, was ich heute wahrgenommen habe. Ich habe einen Vortrag erlebt von Herrn Prof. Dr. Ewers, der es so darstellt, als wäre das Steinkohlekraftwerk das Harmloseste und einfach das Beste, was der Altmark passieren kann. Sie haben sich dargestellt als unabhängiger Sachverständiger. Sie arbeiten für das Hygieneinstitut des Ruhrgebietes und wenn ich mir das im Internet anschaue, dann schließt sich für mich der Kreis hier, weil Ihr Unternehmen, das Hygieneinstitut, von der RWE unterstützt wird.
Herr Prof. Dr. Ewers: Das ist mir so nicht bekannt!
Eine zweite Sache. In Ihren Ausführungen bei Feinstaub beziehen Sie sich auf eine Partikelgröße von 10 µm. Dr. Puls hat sehr gut dargelegt, je kleiner die Teilchen, so gemeiner. Zur Feinstaubproblematik habe ich mich in Ärztezeitschriften belesen und weltweit sagen die Ärzte zu diesem Thema, dass gerade die Grenzwerte in Europa nicht mehr dem medizinischen Standard entsprechen. Sie fordern sogar eine Halbierung des W
HO-Grenzwertes. Weiterhin sprechen Sie die bestehende lokale Hintergrundbelastung an. Sie beziehen sich da auf das Luftüberwachungssystem Sachsen-Anhalt. Es ist ja nun bekannt geworden, dass RWE umfangreiche Untersuchungen durchgeführt hat, oder noch durchführen wird. Wie ist denn nun die lokale Hintergrundbelastung konkret am Standort Arneburg unter der Problematik, dass dort schon seit 2004 das Zellstoffwerk steht. Was ist gemessen worden, wann ist gemessen worden, wo genau ist gemessen worden und welche Datengrundlagen liegen Ihren Ausführungen zugrunde?
Herr Prof. Dr. Ewers: Die Messdaten und Messwerte, die Ihnen zugänglich gemacht wurden, stammen nicht vom Standort Arneburg. Es sind vergleichbare Werte aus anderen Gebieten. Für RWE wird nur auf Anforderung gearbeitet.
Herr Kühnel: Sind diese Werte vergleichbar.
Herr Prof. Dr. Ewers: Ja, diese Werte sind vergleichbar. Wir haben hier die Messdaten von Stendal. Stendal ist ja eine mittelgroße Stadt und es ist davon auszugehen, dass die Messwerte von Stendal auch in etwa auf Arneburg zutreffen. Wir liegen hier bei durchschnittlich 15 bis 20 µg pro m³.
Herr Burkhardt: Warum veröffentlich man diese Werte nicht? Sie sehen doch, dass die Leute Interesse haben und Transparenz ist doch gerade in unserer heutigen Zeit ein Pfund, mit dem man wuchern kann.
Herr Prof. Dr. Ewers: Die Daten werden ja veröffentlicht. Sollte es zu dem Bau des Steinkohlekraftwerkes kommen, sind sie außerdem Bestandteil der Antragsunterlagen. Die Antragsunterlagen werden öffentlich ausgelegt.
Herr Burkhardt: Das hätte man doch im Vorfeld machen können.
Frau Padelt: Ich beziehe mich zunächst auf die Wortmeldung von Herrn Wiese. Man kann eben nicht nur eins und eins zusammen zählen und man fällt tot um, sondern das Ganze ist viel komplexer und mit zahlreichen Wechselwirkungen behaftet. Man nehme nur einmal das Thema Stickstoff. Kohlekraftwerke emittieren große Mengen an Stickstoffoxiden. Diese führen zur Eutrophierung (Überdüngung) und Versäuerung unserer Naturräume. Außerdem zählen Stickstoffoxide zu den Ozonvorläufersubstanzen und damit zu den indirekten Treibhausgasen. Bodennahes Ozon führt zu Kopfschmerzen, Kreislaufproblemen und weiteren gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Es ist aber auch folgendes zu beachten: Gegenwärtig sind in Deutschland bereits mehr als 90% der Ökosysteme mit Stickstoff überfrachtet. Vor allem für Wälder, Heiden und Moore ist dies problematisch. Jeder Pilzsammler nimmt die zunehmende Vergrasung unserer Wälder wahr. Stickstoffempfindliche Arten werden zunehmend verdrängt, Schaderreger werden gefördert. Und alles, was an Stickstoff nicht von den Bäumen oder der Vegetation aufgenommen werden kann, oder über den Humus gebunden wird, wird nach und nach in das Grundwasser ausgewaschen, was letztlich zur Belastungen unseres Trinkwassers führt. Deutschland hat sich im UNECE-Luftreinhalteabkommen verpflichtet, seine Stickstoffemissionen drastisch zu senken. Besonders dramatisch wird die Situation angesichts des Klimawandels. Das Land Sachsen-Anhalt hat eine Studie herausgegeben, wonach wir auch in der Altmark mit einer Zunahme von heißen Sommertagen um bis zu 50% rechnen müssen, dagegen aber die Niederschläge in den Sommermonaten deutlich sinken werden. Das hat unmittelbaren als auch mittelbaren Einfluss auf unsere Gesundheit, aber auch Auswirkungen auf die Natur (Vegetation, die vertrocknet, kann kein Kohlendioxid und keinen Stickstoff mehr aufnehmen). Ebenso wie beim Stickstoff sind auch beim Feinstaub bereits vorhandene Emissionen zu berücksichtigen, so auch die Emissionen des Zellstoffwerkes und der künftigen A14 und B190n. Das Zellstoffwerk setzt nach den Angaben des Bundesumweltamtes jährlich ca. 86800 kg Feinstaub frei. Auf die Frage, wie Herr Prof. Dr. Ewers die Menge einschätzt, gab es keine klare Antwort. Abschließend mein Hinweis, dass das Umweltbundesamt jüngst eine Studie veröffentlicht hat (www.prtr.bund.de), die darlegt, dass weder die Verlängerung der Laufzeit der Atomkraftwerke erforderlich ist, noch neue Kohlekraftwerke gebraucht werden, um unseren Strombedarf in den kommenden Jahren zu sichern. Alle diese Fakten kann man nicht vom Tisch wischen. Welche Veranlassung haben wir, so ein Kraftwerk in unsere Region zu holen?
Frau Braun: Frau Padelt, ich wurde eben durch Herrn Wulfänger informiert, dass Sie hier in der Kreisverwaltung arbeiten, dass Sie auch wissen, wovon Sie reden.
Frau Padelt: Ich spreche hier als Privatperson.
Frau Braun: Sie sind bei uns im Umweltamt beschäftigt, und was konkret bearbeiten Sie dort?
Frau Padelt: Ich bin im Naturschutz tätig.
Herr Prof. Dr. Ewers: Ich bitte um Verständnis, dass ich mich verabschieden muss. Aus meiner Sicht konnte ich nur zum Thema Luftverunreinigung etwas sagen. Die Argumente, die hier vorgetragen wurden, sind auch durchaus nachvollziehbar. Sollte es noch Fragen Ihrerseits geben, so können Sie mich über Internet www.hyg.de oder email: u.ewers@hyg.de erreichen.
Frau Braun: schließt diesen Tagesordnungspunkt und bedankt sich für die Möglichkeit der gemeinsamen Sitzung.
Frau Dr. Paschke: Zum weiteren Verlauf der Ausschuss-Sitzung möchte ich folgenden Vorschlag unterbreiten: In Anbetracht der Zeit behandeln wir noch den Nachtragshaushalt und über die Richtlinie und den Arbeitsplan reden wir im November. Im November ist geplant, zur Drogen- und Suchtberatungsstelle des Caritas-Verbandes zu gehen. Die Ausschussmitglieder sind mit dieser Verfahrensweise einverstanden.