Herr Wulfänger erläutert die DS-Nr. 080/2009. Der Haushalt des
Landkreises Stendal ist nicht ausgeglichen, wir haben ein neues strukturelles
Defizit in Höhe von 3,4 Mio. Euro. Ursprünglich sollte nach der
Haushaltskonsolidierung der Haushalt ausgeglichen sein, in diesem Jahr und in
den kommenden Jahren sollte das Defizit der letzten Jahre abgetragen werden.
Das ist im Moment nicht zu sehen. Ein Grund dafür ist, dass wir ein neues
Finanzausgleichsgesetz haben, welches im Dezember 2009 beschlossen wurde.
Dieses FAG bedeutet, dass wir weniger Geld bekommen, es bedeutet aber auch,
dass besondere Ergänzungszuweisungen dort eingeführt werden, dass z. B. die
Jugendpauschale, die es in den letzten Jahren gab, auch in den kommenden Jahren
zweckgebunden durchgereicht wird, in etwa in der Höhe, wie sie bisher auch dem
Landkreis zur Verfügung standen. Die Kreisumlage wird vom absoluten Betrag her
erhöht sein gegenüber den letzten, und zwar um 1 Mio. Euro. Die Prozente dafür
werden aber sinken, weil die Bemessungsgrundlagen für die Kreisumlage verändert
hat. Der größte Bereich des Haushalts ist der soziale Bereich, das sind ca. 45
% der Ausgaben. Dazu gehören nicht nur Jugendhilfeausgaben, sondern auch
Ausgaben des Sozialamtes und Kosten der Unterkunft.
Vom Personal her sieht es so
aus, dass wir den gleichen Personalbestand haben wie im letzten Jahr – 715
Stellen. In den Jahren davor haben wir einen Stellenabbau gehabt von ca. 10 bis
15 Stellen. Das können wir in diesem Jahr nicht realisieren. Wir haben ein
zweites Funktionalreformgesetz, wo wir Aufgaben und Personal vom Land
übernehmen mussten (6 Stellen) und wir müssen das Problem Erlass/Ermäßigung bei
Elternbeiträgen aufarbeiten. In diesem Bereich mussten wir das Personal um 5,5
Stellen erhöhen, so dass wir in absehbarer Zeit bei einer angemessenen
Bearbeitungszeit ankommen werden.
Im Vermögenshaushalt sieht es
so aus, dass wir einen Kredit aufnehmen müssen, der liegt bei 999.000 Euro.
Grund: Weniger Einnahmen im Vermögenshaushalt und mit den Einnahmen, die wir
bekommen, nicht alle Fördermittel und auch nicht das Konjunkturpaket II
kofinanzieren können. Im letzten Jahr konnten wir das K II noch durch Verkäufe
oder Einsparungen kofinanzieren – das können wir in diesem Jahr nicht mehr
leisten. Dieser Kredit belastet letztendlich auch den Haushalt, wird unterm
Strich aber zu keiner höheren Verschuldung führen. Wir zahlen in etwa Kredit ab
wie wir aufnehmen.
Für den Jugendhilfebereich
haben wir im Vermögenshaushalt keinerlei Ausgaben. Wir mussten, wie auch in den
letzten Jahren, ein Haushaltskonsolidierungskonzept aufstellen, welches so
aussieht, dass wir nicht 2016 den Ausgleich haben werden, sondern im Jahr 2017,
d. h., die 41,5 Mio. Euro, die wir strukturelles Defizit in den letzten Jahren
angehäuft haben, müssen wir in den kommenden Jahren wieder abtragen – der
Ausgleich ist für das Jahr 2017 vorgesehen.
Frau Müller erläutert mit Hilfe des Beamers den Haushalt des
Jugendamtes (siehe Anlage).
Herr Dr. Kühn stellt fest, dass das Budget größer geworden ist,
aber auch die Aufgaben größer geworden sind.
Herr Schreiber fragt nach, wenn die Aufgaben nun delegiert worden
sind, was passiert mit den Mitarbeitern, die vom Land runterdelegiert wurden?
Wurden die beim Land entlassen?
Das kann Frau Müller
so nicht beantworten. Ein Teil des Personals ist auf die Landkreise
übergegangen, aber wir haben keinen Überblick dazu.
Herr Schreiber fragt noch mal nach, ob aber finanziell „was mit
rüberkommt“.
Darauf antwortet Herr
Wulfänger am Beispiel Bundeselterngeld. Beim Land waren über 30 Personen
damit beschäftigt, viele haben sich beim Land auf andere Stellen beworben oder
in nahegelegene Kreise. Die weiter entfernten Kreise haben nichts abbekommen.
Aber das ist nicht schlimm; so eine Aufgabe steht und fällt mit der Motivation
der Leute. Uns ist daran gelegen, eigenes, motiviertes Personal zu haben. Wir
bekommen die Personalkosten aber ersetzt plus 20 % Sachkosten, das sind ca.
330.000 Euro, die wir für alle Aufgaben jedes Jahr vom Land für das 2.
Funktionalreformgesetz bekommen.
Die Stellen wurden mit
eigenem Personal besetzt.
Frau Müller erklärt, dass ursprünglich eine Kollegin vom Land
kommen sollte, diese aber dann doch nicht kam.
BEEG ist keine Aufgabe, die man mal so eben innerhalb von drei Wochen
lernt. Es ist sehr komplex in der Rechtsmaterie. Fünf Kollegen aus dem
Jugendamt wurden ausgewählt, die machen das natürlich nicht zu 100 %, sondern
mit ihren bisherigen Aufgaben kombiniert. Momentan erweist sich das als nicht
ganz unproblematisch. Sie wurden zu Schulungen geschickt und die Kolleginnen
hatten einen Riesendruck, sich mit der Materie vertraut zu machen. Ab
01.01.2010 sind wir zuständig und ab 01.01. hat das Geld von hier an die
Berechtigten ohne Komplikationen zu fließen. Wir sind auch strikt an Verfahrensvorgaben
gebunden, die sich aus der Bundeshaushaltsordnung ergeben. Z. B. haben wir
festgelegte Uhrzeiten, wo wir die Datenübermittlung zum Zentralrechner machen
können. Da müssen die Zahlen stimmen, ansonsten gibt es im nächsten Zahllauf
kein Geld. Die Kolleginnen sind sehr motiviert, aber wir verlangen ihnen auch
eine ganze Menge ab. Es läuft rund, aber auch nur deshalb, weil wir bis 31.03.
noch eine Kollegin aus der Elterngeldstelle Halle abgeordnet haben. Das hilft
in der ersten Zeit enorm.
Frau Schulz fragt, wie viele Anträge bearbeitet werden müssen.
Darauf antwortet Frau
Müller, dass im Jahr ca. 900 Geburten im Landkreis stattfinden, so sind es
dann auch 900 Anträge. Und da gibt es viele Fallkonstellationen, kein Fall ist
wie der andere.
Herr Wulfänger weist auf die Besonderheit bei diesem Thema hin. Wir
haben das Geld nicht in unserem Haushalt, wir buchen direkt in den
Bundeshaushalt.
Herr Graubner stellt an Frau Müller die Frage nach ihren
angesprochenen verbesserten Instrumentarien. Was wird anders gemacht im Amt, um
das effektiver zu gestalten?
Frau Müller verweist auf das SGB VIII, in dem die „klassischen“
Hilfeformen alle aufgeführt sind. Da diese Formen keine abschließende Regelung
darstellten, hat das die gedankliche Tür zu noch Einzelfallbedarfsorientierteren
Hilfeformen ermöglicht. Irgendwann haben wir gemerkt, dass die Kostenspirale
zur Jahrtausendwende streng nach oben ging. Wir sahen nur einen Ausweg: Wir
müssen größere Spielräume bekommen, dass wir flexibler reagieren können, auch
innerhalb des Haushaltsrechts. Heute finden wir die Haushaltsstelle „weitere
ambulante Hilfen“, das ist eine Stelle, die Einzelfälle sehr differenziert
ausweist (z. B. eine Therapie, eine ausdifferenziertere Form der Hilfe in der
Familie usw.). Das hat dazu beigetragen, dass trotz insgesamt steigender
Fallzahlen wir uns nicht mit dem Pfeil nach oben bewegt haben, sondern nach
unten. Es war noch niemand, weder in JHA noch im Kreistag, der Meinung, dass
wir einem Kind die Hilfe vorenthalten sollen, die ihm zusteht. Im Landkreis
Stendal gab es das nicht und wird es wohl auch nicht geben.
Herr Dr. Kühn stellt aber fest, dass sich auf der einen Seite die
Anzahl der Personen im Landkreis verringert, auf der anderen Seite nimmt die
Zahl derjenigen, die Jugendhilfe benötigen, zu.
Frau Müller verweist darauf, dass es auch eine Frage der
Problemlagen ist. Die Situation in den Familien wird nicht einfacher, aufgrund
Arbeitslosigkeit, Hartz IV, Schulsystem usw. Der Landkreis hat viele Menschen
verloren, die der Arbeit hinterher gezogen sind. Der Anteil der Menschen an der
Bevölkerung, die Hilfe bedürfen, ist damit prozentual (bezogen auf die
Gesamtbevölkerung des Landkreises) angestiegen.
Herr Dr. Kühn lässt über die DS-Nr. 080/2009 abstimmen. Bei zwei
Enthaltungen wird der BSV zugestimmt und empfohlen, die DS an den Kreistag
weiterzuleiten.