Beschlussvorschlag:
Der Kreistag beschließt, die nachfolgend aufgeführten Aufgabenschwerpunkte, mit dem Ziel der Verringerung der Folgen von Armut bei Kindern im Landkreis Stendal, schrittweise umzusetzen.
1. Schwerpunkt: Prävention
a) Aufbau eines abgestuften Angebotes zielgruppenspezifisch geeigneter Maßnahmen im Bereich der Eltern-/Familienbildung unter Berücksichtigung/Vernetzung mit vorhandenen Angeboten
b) Entwicklung eines „Babybegrüßungspaketes“
c) Anregung einer Diplomarbeit (o. ä) in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule zum Thema „Ernährungsverhalten von Kindern im Alter von 2 - 10 Jahren – untersucht am Beispiel von Kindern in Kindertageseinrichtungen und Schulen des Landkreises – daraus folgende Ansätze präventiver Arbeit“ (Arbeitstitel)
2. Schwerpunkt: Allgemeine Unterstützungsangebote
a) Einführung der „Windeltonne“ für Familien mit Kindern bis zum Alter von 2 Jahren
b) Anregung und Unterstützung ehrenamtlicher Tätigkeit zur Unterstützung von Kindern aus benachteiligten Familien, z. B. bei der Erledigung von Hausaufgaben o. ä. – Aufbau eines „Helfer-Pools“
c) Einflussnahme auf die Preisgestaltung des Essens in den Schulen durch Unterstützung der Essenversorgung in den Schulen durch Hilfe bei der Essenausgabe über Kräfte des 2. Arbeitsmarktes
3. Schwerpunkt: Grundsätzliches
Die Landes- und Bundesregierung sollen aufgefordert werden, weitere geeignete Maßnahmen zu treffen, um die Kinderarmut nachhaltig zu verringern.
Begründung:
Die Fraktion DIE LINKE. - Bündnis 90/Die Grünen hat auf dem Kreistag am 04.10.2007 mit der Drucksache Nr. 350 einen Antrag zur „Erarbeitung einer Strategie des Landkreises Stendal zur Bekämpfung der Kinderarmut“ gestellt. Der Kreistag hat den Antrag zur Beratung in alle Ausschüsse unter Federführung des Jugendhilfeausschusses verwiesen.
Auf der Grundlage des Antrages und der darauf folgenden Drucksache der Verwaltung Nr. 404 haben sich die Ausschüsse des Kreistages zwischenzeitlich z. T. auch mehrfach mit der Thematik der Kinderarmut im Landkreis Stendal befasst.
Im Rahmen dieser Diskussion haben sich Schwerpunkte für sinnvolle und für den Landkreis unter den derzeitigen Rahmenbedingungen realisierbare Handlungsansätze heraus kristallisiert.
Diese sind getragen von folgenden Grundüberlegungen:
1. zum Schwerpunkt Prävention
a) Armut ist der größte Risikofaktor für kindliche Lebenschancen. Die Familie stellt für Kinder in der Phase ihres Aufwachsens einen elementaren Bezugspunkt und die primäre Sozialisationsinstanz dar. Je stärker und kompetenter die Eltern in ihrem Alltags- und Bewältigungshandeln, umso stärker werden auch die Kinder. Dies gilt in besonderem Maße, wenn Kinder unter eingeschränkten materiellen Bedingungen aufwachsen müssen. Dem zu Folge sind die langfristig sinnvollen Maßnahmen diejenigen, die Eltern helfen, trotzdem den Grundbedürfnissen ihrer Kinder ausreichend Rechnung zu tragen. Deshalb sind präventive familienfördernde und die Eltern bildende Maßnahmen (entsprechend § 16 SGB VIII) erforderlich.
Hierbei sollen bestehende und zielgruppenspezifisch noch erforderliche Maßnahmen aufgebaut, aufeinander abgestimmt und soweit möglich trägerübergreifend vernetzt werden.
b) Ausgehend von den Erfahrungen anderer Jugendhilfeträger erscheint die Einführung eines „Babybegrüßungspaketes“ (Arbeitstitel), verbunden mit einem Erst-Hausbesuch für alle Eltern von Neugeborenen, sofern gewünscht, als eine geeignete Maßnahme, um völlig unabhängig von vermuteten oder vorhandenen Defiziten und damit stigmatisierungsfrei, einen Erstkontakt aufzunehmen, das Informationspaket überreichen zu können und gegebenenfalls Hilfen zu vermitteln oder anbieten zu können.
Auch unter dem Aspekt des Kinderschutzes sind auf diesem Weg präventive Aspekte zu er-warten.
c) Es ist zwar im Rahmen der Armutsforschung grundsätzlich nachgewiesen, dass es bei in materieller Armut lebenden Kindern ein höheres Ausmaß an Unterversorgungen im gesundheitlichen, insbesondere auch im Bereich der Ernährung, gibt (zu ungesund, zu unregelmäßig, z. T. auch unzureichend).
Wir wissen beispielsweise aber nicht, wie und in welchem Umfang sich diese Problematik konkret bei Kindern im Landkreis Stendal zeigt. Regionale Unterschiede sind zu vermuten.
Insofern erschient es hilfreich, auf der Grundlage entsprechender Untersuchungen im Rahmen einer Diplomarbeit o. ä. eine konkrete Daten- und Faktenbasis zu schaffen, die dann punktgenaue Ansätze geeigneter Maßnahmen ermöglicht.
2. Schwerpunkt: Allgemeine
Unterstützungsangebote
a) Die Einführung einer „Windeltonne“ dient der Unterstützung aller Familien mit Kleinkindern bis zu 3 Jahren und ist somit auch eine allgemein familienfördernde Maßnahme. Sie entlastet das Haushaltsbudget der Familien durch den Wegfall der Umtauschgebühr bei einer durch den Windelanfall notwendig werdenden Restmülltonne.
b) Bürgerschaftliches Engagement ist eine Ressource, die es mehr als bisher zu nutzen gilt. Sie ist insbesondere dort eine gewollte Ergänzung zu kommerziellen Angeboten, wo diese durch Betroffene nicht genutzt werden (können), weil die finanziellen Mittel dafür fehlen. Dabei sollen bestehende ehrenamtliche Aktivitäten unterstützt und neue angeregt werden. Die Bündelung in einem „Helfer-Pool“ verbessert das Wissen zu bestehenden Angeboten, die Vermittlung von Hilfen, aber auch die Wertschätzung der Ehrenamtlichen.
c) Eine unmittelbare finanzielle Stützung der Kosten des Mittagessens in Kindergärten und Schulen wäre wünschenswert, da damit auch Kinder erreicht werden könnten, die aus finanziellen Gründen nicht am Essen teilnehmen (genaue Zahlen liegen hier noch nicht vor, deshalb siehe auch zu Punkt 1c).
Durch den Landkreis ist eine entsprechende direkte Stützung der Kosten nicht möglich, weil u. a. die Haushaltssituation eine solche Stützung nicht zulässt.
Durch den Landkreis könnte aber indirekt auf die Preisgestaltung des Essens in den Schulen durch Hilfen bei der Essenausgabe über Kräfte des 2. Arbeitsmarktes Einfluss genommen werden.
Der Landkreis begrüßt es jedoch, wenn Kommunen im Rahmen ihrer Trägerschaft von Ein-richtungen auf diesem oder anderem Weg Familien mit Kindern gezielt durch Maßnahmen unterstützen, von denen Kinder unmittelbar profitieren.
geschätzter Bedarf an Sach- und
Personalaufwand
Zu 1a) Die genauen Kosten sind erst bezifferbar, wenn konkrete Maßnahmen beschrieben und ihr Umfang (offene Angebote oder einzelfallbezogene Leistung; Inhalt, Dauer der Maßnahme) festgelegt sind.
Außerdem sind hier Förderungen aus verschiedenen Programmen denkbar. Insofern erscheint es realistisch, von einem fallbezogenen Mittelbedarf auszugehen, der weit unter den Kosten für Erziehungshilfen liegt.
Dem Grunde nach zählen familien-/elternbildende Angebote zu den Pflichtleistungen der öffentlichen Jugendhilfe gemäß SGB VIII.
Zu 1b) Sachkosten: Kalkulationsgrundlage: ▪10 - 15 Euro/Mappe x 900 Neugeborene/Jahr
à 9.000-13.500 Euro/Jahr
▪ Fahrkosten 900 x 25 km x 0,30 €/km = 6.750 €/a
Personalbedarf/Kosten:
§ Die Erarbeitung der „Baby-Begrüßungsmappe“ kann im Rahmen einer geförderten Maßnahme (z. B. Kommunal-Kombi o. ä.) als zeitlich befristetes Projekt erfolgen. Hier hat der Landkreis den ggfls. erforderlichen Eigenanteil zu erbringen.
§ Der Hausbesuch, verbunden mit der Überreichung des Begrüßungspaketes, soll durch die Sozialarbeiter des Jugendamtes erfolgen, weil nur so auch die gewünschten Synergieeffekte erreichbar und auch rechtliche Fragen (Datenschutz) damit lösbar sind.
Der geschätzte Personalaufwand/Jahr könnte bei ca. 1.500 Stunden (750 (nicht alle Eltern nehmen das in Anspruch) x durchschn. 2h/ Fall (incl. Fahrzeiten) liegen.
Das entspräche in der Summe rechnerisch fast einer ganzen Stelle. Denkbar ist, das ein Teil des Aufwandes mit bestehenden Aufgaben verbunden werden kann.
Inwieweit das mit dem bestehenden Personal tatsächlich leistbar ist, ohne das die Kernaufgaben leiden, hängt von verschiedenen Faktoren ab, die zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht erörtert werden konnten.
Eine abschließende Beurteilung dieser Frage erscheint ohnehin erst sinnvoll, wenn das für Sachsen-Anhalt geplante Kinderschutzgesetz - voraussichtlich 2009 - in Kraft tritt und die sich daraus ergebenden aufgabenseitigen und personellen Erfordernisse hiermit im Zusammenhang betrachtet werden können.
Zu 2a) Die „erlassenen“ Kosten für den windelbezogenen Umtausch der Restmülltonne fließen in die Gebührenkalkulation für die Kosten der Abfallbeseitigung ein und werden damit solidarisch gleichermaßen von allen Gebührenzahlern erbracht.
Zu 2b) keine Kosten
Zu 2c) Kosten in Höhe des Landkreisanteiles für die geförderten Maßnahmen (sofern im Einzelfall erforderlich)
Finanzielle
Auswirkungen:
Kosten des Vorhabens für
den Landkreis |
Jährliche Folgekosten |
Mittel bereits veranschlagt |
Deckungsvorschlag |
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Ja |
Nein |
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n.n. bezifferbar |
EUR |
n.n. bezifferbar |
EUR |
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HH-Stelle: |
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Falls § 18 DA
Sitzungsdienst zutrifft: Stellungnahme AL Kämmerei |
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Zusätzliche Anmerkungen: |
siehe Beschreibung des geschätzten Bedarfs an Sach-und
Personalaufwand |
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Anlagenverzeichnis:
Altersbezogene Schwerpunkte zur Förderung der Erziehung in der Familie und zur Verringerung von Armutsfolgen bei Kindern – Allgem. Überblick