Betreff
Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Landrat des Landkreises Stendal
Vorlage
237/2016
Aktenzeichen
237/2016
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag:

Der Kreistag Stendal stellt fest, dass nach eingehender Prüfung keine Verletzung von Dienstpflichten des Landrates des Landkreises Stendal, Herrn Carsten Wulfänger, vorliegt.

Lothar Riedinger                                                                                                                                      Vorsitzender des Kreistages Stendal


Mit Schreiben vom 06. Juli 2015 wurde eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Landrat des Landkreises Stendal erhoben.

Für die Entscheidung über diese Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Landrat, Carsten Wulfänger, ist der Kreistag gemäß § 45 Abs. 5 Kommunalverfassungsgesetz Land Sachsen-Anhalt (KVG LSA) als Dienstvorgesetzter, höherer Dienstvorgesetzter und oberste Dienstbehörde zuständig.

Eine Dienstaufsichtsbeschwerde ist ein formloser Rechtsbehelf, mit dem die Dienstpflicht eines Amtsträgers gerügt werden kann, wenn er sich in Ausübung seines Amtes nicht korrekt verhalten hat. Ist die Entscheidung inhaltlich zu rügen, handelt es sich um eine sogenannte Fachaufsichtsbeschwerde.

I.

Sachverhalt:

Am 25.10.2014 meldete der Altmärkische Kreis der Bismarckfreunde für den 04.04.2015 eine Feierstunde zu Ehren des Geburtstages Otto von Bismarcks im Stadtpark in Schönhausen(Elbe) an. Unter anderem sollte auch ein Liedermacher auftreten.

Im Ergebnis des vorbereitenden Kooperationsgespräches wurde am 24.03.2015 eine Verfügung erlassen.

Diese Verfügung wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Referat Hoheitsangelegenheiten, Gefahrenabwehr, Ausländerangelegenheiten des Landesverwaltungsamtes als Fachaufsicht erarbeitet. Mit Schreiben vom 16.03.2015 wurde hierzu eine fachaufsichtliche Weisung erlassen.

Mit Schreiben vom 18.04.2015 erhob der Liedermacher Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Sachgebietsleiterin als Sachbearbeiterin des ordnungsrechtlichen Verfahrens.

Gegenstand seiner Beschwerde war Nr. 10 der Verfügung vom 24.03.2015, in der dem Veranstalter die Auflage erteilt wurde, eine Liste der Liedtitel einschließlich der Liedtexte des benannten Liedermachers, die am 04.04.2015 vorgetragen werden sollten, der Versammlungsbehörde zur Prüfung vorzulegen.

Die Anzahl der Liedtitel wurde auf max. 50 Liedtitel beschränkt. Bei Nichterfüllung dieser Auflage wurde der Auftritt des Liedermachers wegen bestehender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung untersagt.

Die Auflage wurde vom Veranstalter bzw. Liedermacher erfüllt. Gegen die Verfügung wurde kein Widerspruch eingelegt.

Die Dienstaufsichtsbeschwerde wurde geprüft.

Im Ergebnis wurde mit Schreiben vom 16.6.2015 mitgeteilt, dass es rechtmäßig war, aus Gründen der Einhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, hier des Kinder-und Jugendschutzes, eine Liste der vorzutragenden Liedtitel und –texte abzufordern, um zu prüfen, ob indizierte Lieder dabei sind.

Allerdings wurde auch geschrieben, dass es für die Begrenzung der Anzahl der Lieder keine Rechtsgrundlage gäbe und dass dieser Einlassung künftig intensivere Beachtung geschenkt werde.

Daraufhin erhob der Liedermacher mit Schreiben vom 06.07.2015 erneut Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Bearbeiterin und ergänzend gegen den Landrat, Carsten Wulfänger.

Weiterhin wird eine Strafanzeige wegen Amtsmissbrauch, Nötigung und Strafdelikte angedroht.

Mit Schreiben vom 21.07.2015 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass eine nochmalige Prüfung seiner Beschwerde gegen die Sachgebietsleiterin nicht erfolgt und für die Beschwerde gegen den Landrat der Kreistag zuständig ist.

Mit Schreiben vom 15.7.2015 wurde gegen beide Personen auch Fachaufsichtsbeschwerde eingelegt.

In seiner Dienstaufsichtsbeschwerde trägt der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass

           Herr Wulfänger ohne Angabe seiner Stellung in der Behörde die Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Sachgebietsleiterin beantwortet hat

           in dem Antwortschreiben bestätigt wird, dass es für die Begrenzung der Liederzahl keine Rechtsgrundlage gab, dadurch ein Dienstvergehen bestätigt wurde, aber keine Äußerung zu den dienst- bzw. arbeitsrechtlichen Folgen gemacht wurde

           im Antwortschreiben formuliert wurde, dass es sich bei den Versammlungsteilnehmern um Personen handelt, die nationalsozialistisch orientiert seien und für die indizierten Musiktitel das Gleiche gelte; das wird als Unterstellung angesehen, da es sich um Personen der Nationaldemokratischen Partei handele

           er in der Begrenzung der Musiktitel in der Auflage der Verfügung eine Zensur sehe, die von Herrn Wulfänger gutgeheißen werde

           er von der Sachgebietsleiterin und Herrn Wulfänger eine Entschuldigung oder Eintrag in

die Personalakte erwarte 

II.

Rechtliche Würdigung:

Die Dienstaufsichtsbehörde enthält überwiegend inhaltliche Beschwerdegründe gegen die Verfügung des kreislichen Ordnungsamtes vom 24.03.2015.

Die Verfügung richtet sich als Adressaten an den Versammlungsleiter. Das ist nicht der Beschwerdeführer. Gegen die Verfügung wurde auch kein Rechtsbehelf eingelegt. Sie ist damit rechtskräftig geworden.

Die Prüfung der Sach-und Rechtslage im Rahmen einer Dienstaufsichtsbeschwerde kann nicht so weit gehen, dass dadurch mittelbar die Rechtmäßigkeit des anlassgebenden Bescheides selbst erfolgt.

Geprüft wird, ob der Beschäftigte bei seiner Entscheidung Dienst-oder Arbeitspflichten verletzt hat, die ihm persönlich anzulasten sind, d.h. dass auch inhaltlich nach bestem Wissen entschieden wurde. Gerichtliche Maßstäbe sind dafür nicht anzulegen.

Die Beschwerdepunkte sind somit wie folgt zu bewerten:

           Der Landrat als Hauptverwaltungsbeamter vertritt gemäß § 60 Abs. 2 KVG LSA den Landkreis Stendal. Der Hauptverwaltungsbeamte hat eine gesetzliche Organstellung und ist alleiniger Vertreter des Landkreises Stendal nach außen.

Das ist aus dem Kopfbogen des Schreibens vom 16.06.2015 eindeutig ersichtlich. Auf dem Kopfbogen steht:

            Der Landkreis Stendal

            Der Landrat

            Unterschrift des Landrates, Herr Wulfänger, ohne Vertretungszusatz

Somit ist der Vorwurf, der Landrat habe ohne Angabe seiner Stellung in der Behörde gehandelt, nicht zutreffend.

           Die Begrenzung der Liederzahl ist nicht explizit in einer Rechtsvorschrift zu finden, sondern ergibt sich als Rechtsanwendung nach § 13 Versammlungsgesetz LSA.

Gemäß § 13 Versammlungsgesetz LSA kann die zuständige Behörde die Versammlung oder den Aufzug von bestimmten Beschränkungen abhängig machen oder verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist.

Aus dem Verwaltungsvorgang und der Begründung der Auflage ist ersichtlich, dass die Auflage “Begrenzung der Liederzahl auf 50 und deren Vorlage mit Text“ nach umfangreicher Prüfung des Gefahrenbegriffs und der Rechtslage erteilt wurde. Es wurde eine konkrete Gefahr für die Rechtsordnung erkannt.

Es wurde Ermessen erkannt und hinsichtlich der Art der Maßnahme und ob diese geeignet, erforderlich und verhältnismäßig ist, ausgeübt.

Nach neuerlicher Bewertung dieser Auflage kann festgestellt werden, dass sich diese Auflage im Rahmen des § 13 des Versammlungsgesetzes bewegt. Die Behörde entscheidet, welche Maßnahme  den Gesetzeszweck am besten sichert. Die Maßnahme kann so gestaltet werden, dass die beteiligten Behörden mit vertretbarem Aufwand ihre Aufgaben wahrnehmen können. Notwendig war eine Prüfung der Musiktitel, um indizierte Texte bereits präventiv auszuschließen. Die Begrenzung auf 50 Musiktitel erscheint nicht unverhältnismäßig.

Von der Fachaufsichtsbehörde des Landesverwaltungsamtes wurde der Vorgang beratend begleitet. Es wurden einschlägige Gerichtsentscheidungen zur Verfügung gestellt. Letztendlich gab es mit Schreiben vom 16.03.2015 eine fachaufsichtliche Weisung, nach der die Vorlage der zu singen beabsichtigten Musiktitel mit Fristsetzung zu fordern ist, anderenfalls müssten versammlungsrechtliche Beschränkungen festgelegt werden, z. B. Verbot des Auftritts des Liedermachers oder Ausschluss von Kindern und Jugendlichen.

Eine Verletzung von Dienstpflichten durch die Sachgebietsleiterin waren nicht festzustellen.

Arbeitsrechtliche Maßnahmen waren nicht zu ergreifen.

Somit liegt auch keine Verletzung von Dienstpflichten durch den Landrat vor.

           Es ist nicht Aufgabe und Anliegen der Ordnungsbehörde eine detaillierte politische Zuordnung der Parteimitgliedschaft oder Gesinnung der Versammlungsteilnehmer vorzunehmen. Die Beschreibung im Rahmen der Beantwortung der Dienstaufsichtsbeschwerde ist jedenfalls nicht grundsätzlich falsch und nicht diskriminierend.

Eine Dienstpflichtverletzung liegt nicht vor.

           Die Begrenzung der Musiktitel stellt keine Zensur der künstlerischen Freiheit dar. Auch das Recht auf Meinungsfreiheit ist nicht schrankenlos. Hier finden diese Rechte ihre Grenze in dem Schutz zum Wohl von Kindern und Jugendlichen und auch nur bezogen auf bereits indizierte Musiktitel.

Durch die Sachgebietsleiterin ist die Abwägung der Rechtsgüter beachtet worden. Es liegt keine Dienstpflichtverletzung vor und damit auch keine Duldung oder Gutheißen durch den Landrat.

           Da Dienstpflichtverletzungen durch die Sachgebietsleiterin nicht festzustellen sind, hat auch der Landrat als Leiter der Verwaltung keine Dienstpflichten verletzt, indem er eine unsachgemäße Bearbeitung durch eigenes Handeln zugelassen hätte. Eine Entschuldigung oder ein Eintrag in die Personalakte steht daher nicht im Raum.

Insgesamt sind keine Dienstpflichtverletzungen durch den Landrat selbst festzustellen. Die Dienstaufsichtsbeschwerde ist daher als unbegründet zurückzuweisen.