Betreff
Grundsatzbeschluss zum künftigen Engagement des Landkreises im Aufgabenfeld der Schulsozialarbeit
hier: im Rahmen des ESF+ -Programmes "Schulerfolg sichern"
Vorlage
434/2021
Aktenzeichen
434/2021
Art
Beschlussvorlage
Untergeordnete Vorlage(n)

Beschlussvorschlag:

Der Kreistag beschließt:

1.    Der Landkreis erkennt an, dass Schulsozialarbeit ein wertvolles Angebot ist, um Kinder und Jugendliche im Kontext der Schule in ihrer individuellen, sozialen und schulischen Entwicklung zu unterstützen, auf den Ausgleich sozialer Defizite hinzuarbeiten und Bildungsbenachteiligungen abzubauen. Ihre Aufgabe ist es jedoch nicht den Erziehungs-und Bildungsauftrag von Schule zu übernehmen.

Schulsozialarbeit wird Grundlage der §§ 13 Abs.1 und 13a SGB VIII somit nicht als alleiniges Dienstleistungsangebot der Jugendhilfe am Ort Schule verstanden, sondern nur im Sinne der kooperativen Verzahnung von Schule und Schulsozialarbeit.

2.    Aus diesem Verständnis heraus wird sich der Landkreis nach Auslaufen der bisherigen ESF-Förderung “Schulerfolg sichern“ in der der nachfolgenden ESF-Förderperiode (ESF+ Programm „Schulerfolg sichern“ im Rahmen seiner  finanziellen Möglichkeiten anteilig mit 20 v.H.  an der Finanzierung von Schulsozialarbeit in Schulen des Landkreises beteiligen.

Dafür werden pro Jahr während des Laufzeitraumes des ESF-Programmes maximal 220.000 EUR bereitgestellt.

(2022: 92.000 EUR [08-12/2022] und ab 2023  220.000 EUR)

3.    Die Netzwerkstelle „Schulsozialarbeit“ wird ab 01.08.2022 durch den Landkreis als örtlichem Träger der öffentlichen Jugendhilfe mit einem Stellenvolumen von 0,75 VzÄ selbst vorgehalten und insoweit auch die Förderung in  Höhe von 60 v.H. beantragt. Der Finanzierungsanteil von 40 v.H. wird durch eigenes vorhandenes Personal erbracht. Maximal ist ein zusätzlicher Stellenanteil von 0,5 VzÄ. möglich.

4.    Eine Anteilfinanzierung in Höhe von 40 v.H. erfolgt durch den Landkreis bei Antragstellung freier Träger nicht.


Sachverhalt:

 

1.    Ausgangssituation

Ab 01. August 2022 soll das ESF+ Programm „Schulerfolg sichern“ nahtlos an das auslaufende bisherige ESF-Programm „Schulerfolg Sichern“ anschließen.

Der Richtlinienentwurf zur Finanzierung des Nachfolgeprogramms sieht für die Landkreise als örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe für die Projekte der Schulsozialarbeit eine Beteiligung im Sinne einer Anteilsfinanzierung von 20 % und für die Netzwerkstelle eine Beteiligung von 40 % vor. In den vorhergehenden Förderperioden war eine Mitfinanzierung des örtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe nicht vorgesehen.

2.    Rechtliche Einordnung

Gemäß § 13 Abs 1 SGB VIII soll jungen Menschen, die zum Ausgleich sozialer Benachteiligungen oder zur Überwindung individueller Beeinträchtigungen in erhöhtem Maße auf Unterstützung angewiesen sind, im Rahmen der Jugendhilfe sozialpädagogische Hilfen angeboten werden, die Ihre schulische und berufliche Ausbildung, Eingliederung in die Arbeitswelt und ihre soziale Integration fördern.

Nach dem mit dem Kinder-und Jugendstärkungsgesetz seit 15.06.21 neu eingefügten § 13 a   umfasst die Schulsozialarbeit sozialpädagogische Angebote, die jungen Menschen am Ort Schule zur Verfügung gestellt werden. Damit hat der Gesetzgeber klargestellt, dass er auch sozialpädagogische Angebote an Schulen von der Jugendsozialarbeit gemäß § 13 SGB VIII erfasst sehen will.

Das Nähere über Inhalt und Umfang der Aufgaben der Schulsozialarbeit wird durch Landesrecht geregelt. Dabei kann durch Landesrecht auch bestimmt werden, dass Aufgaben der Schulsozialarbeit durch andere Stellen nach anderen Rechtsvorschriften erbracht werden.

Die Zuständigkeit des örtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe gemäß § 69 Abs.1 SGB VIII i.V.m. § 1 KJHG LSA ist bereits den Landkreisen und kreisfreien Städten zugewiesen. Damit ist auch die Aufgabe der Jugendsozialarbeit/Schulsozialarbeit nach den genannten §§ eingeschlossen.

Die Aufgaben der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe werden als Pflichtaufgabe des eigenen Wirkungskreises wahrgenommen.

Jedoch stellt der Wortlaut des § 13 SGB VIII …“sollen im Rahmen der Jugendhilfe sozialpädagogische Hilfen angeboten werden.“ „nur“ eine objektiv-rechtliche Verpflichtung dar. Ein individuell einklagbarer Rechtsanspruch ergibt sich daraus nicht.

In der Konsequenz der Formulierung bedeutet das, dass die Jugendsozialarbeit zwar dem Grunde nach pflichtig ist, der Umfang der Vorhaltung von Angeboten der Jugendsozialarbeit und damit auch der Schulsozialarbeit im pflichtgemäßen Ermessen des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe liegt.

Gemäß § 74 Abs.3 SGB VIII entscheidet der Träger der öffentlichen Jugendhilfe im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel nach pflichtgemäßem Ermessen.

Entsprechend der kommunalen Finanzhoheit kann die Entscheidung (des JHA) über Art und Höhe der Förderung von den verfügbaren Haushaltsmitteln abhängig gemacht werden. Über die Bereitstellung von Mitteln dafür entscheidet die Vertretungsköperschaft.

Allerdings ist auch die Vertretungskörperschaft nicht völlig frei bei ihrer Entscheidung. Auch sie hat nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Insbesondere hat sie Zweck und Struktur des § 74 SGB VIII und die Gesamtverantwortung des öffentlichen Trägers für die Jugendhilfe gemäß § 79 i.V.m. § 15 KJHG –LSA zu beachten.

3.    Aktuelle Projekte der Schulsozialarbeit im Rahmen der ESF-Förderung sowie Hochrechnung des 20% Landkreisanteils bei Fortführung aller Stellen

In der aktuellen, noch bis zum 31.07.2022 laufenden Förderperiode, bestehen an 20 Schulen im Landkreis Projektstellen „Schulsozialarbeit“ mit folgendem Umfang. Der Stundenumfang entspricht bis auf wenige Ausnahmen Vollzeitstellen.

 

Schulsozialarbeiter

Schulform

VzÄ

Mitarbeiter

Grundschule

4,350

5

Sek.Schule

8,425

10

Gemeinschaftsschule

1,000

1

Gymnasium

2,000

2

Berufsschule

2,000

2

Förderschule

2,000

3

Gesamt

19,775

23

Der Kosten- und damit der derzeitige Förderumfang beläuft sich aktuell auf rd. 1,3 Mio EUR –siehe Spalte 2 der nachfolgenden Tabelle.

(Quelle: Angaben der Träger aus 47.KW))

 

GESAMT aktuell

geschätzte/hochgerechnete Kosten  auf 12 Monate unter den neuen Förderbedingungen

20 % -grobe Hochrechnung der vorliegenden aktuellen Kosten und der neuen Förderbedingungen

Personalkosten

1.182.200

1.205.844

241.170

Sachkosten

69.600

78.576

15.715

Verwaltungskosten

71.000

84.410

16.890

GESAMT

1.322.800

1.368.830

273.775

Unter der vorläufigen Annahme, dass alle aktuellen Projektstellen in Anzahl um Stundenvolumen unverändert fortgeführt werden, beträgt der geschätzte rechnerische Anteil des Landkreises für 12 Monate ca.274.000 EUR für 2022.

Da die neue Förderperiode und die damit verbundene Anteilfinanzierung in 2022 jedoch erst am 01.08.2022 beginnt,verbleiben für das Jahr 2022 für den Landkreis für 5 Monate rd. 114.080 EUR.

In den Folgejahren ab 2023 bis 2027 müsste der Landkreis unter der beschriebenen Annahme pro Jahr voraussichtlich mindestens einen Betrag in Höhe von 273.775 EUR plus x aufbringen.

Der unter den Bedingungen der schwierigen Haushaltslage des Landkreises maximal aufzubringende Betrag von 220.000 EUR bedeutet in der Konsequenz, dass entweder die Anzahl der Prokjektstellen oder der Umfang der Wochenstunden der Schulsozialarbeiter*innen reduziert werden. Konkret wäre das mit den Trägern im Rahmen ihrer Antragstellung beim Land abzustimmen.

4.    Netzwerkstelle Schulsozialarbeit

In den vorangegangenen Förderperioden wurde in jedem Landkreis 1 Netzwerkstelle vorgehalten und im Rahmen des ESF-Programms voll finanziert. Die Netzwerkstellen werden entweder durch den jeweiligen Landkreis als örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe selbst oder durch einen freien Träger der Jugendhilfe betrieben.

Im Landkreis Stendal wird die Netzwerkstelle derzeit durch einen freien Träger der Jugendhilfe, hier den DRK Kreisverband Östliche Altmark e.V., betrieben.

Die Kosten für den Betrieb der Netzwerkstelle betragen 2021 rd. 220.500 EUR bei 3,0 VzÄ. (Quelle: Angabe des Trägers)

Auch die neue Förderrichtlinie sieht die Möglichkeit der Förderung einer Netzwerkstelle Schulsozialarbeit pro Landkreis vor. Damit verbunden ist eine Anteilfinanzierung von 40% durch den Landkreis.

Trotz der künftig reduzierten förderfähigen Personaldecke der Netzwerkstelle auf maximal 2,0 VzÄ dürften die zu erwartenden Gesamtkosten bei mindestens 150.000-160.000 EUR liegen. Damit läge der zusätzlich aufzubringende Förderbetrag bei ca. 50.000- 64.000 EUR.

Im Gegensatz zu der unmittelbaren Leistung der Schulsozialarbeit am Ort der Schule ist das Vorhalten einer Netzwerkstelle keine pflichtige Aufgabe, die sich aus den §§ 13 /13a SGB VIII ableiten lässt.

Insofern wird vorgeschlagen, insbesondere unter den Bedingungen der Haushaltskonsolidierung keine Netzwerkstelle extern anteilig mitzufinanzieren.

Gleichwohl wird nicht verkannt, dass im Gesamtkontext der Schulsozialarbeit begleitende, unterstützende und koordinierende Aufgaben anfallen.

Da der Landkreis als örtlicher Träger der öffentlichen Jugendhilfe aus seiner Steuerungs-und Gesamtverantwortung gemäß § 79 SGB VIII heraus diese grundsätzlich auch für die  Schulsozialarbeit wahrnehmen muss,  macht es Sinn, die notwendigen begleitenden und koordinierenden Aufgaben künftig (wieder) unmittelbar selbst wahrzunehmen.

Für einen solchen Weg spricht auch, die bessere Einbeziehung der Schnittstellen zu den anderen Bereichen und Angeboten der Kinder-und Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit mit vorhandenen eigenen Ressourcen zu erreichen und damit auch Synergieeffekte zu erzielen.

Deshalb wird der Landkreis unter Gestellung eigenen vorhandenen Personals die Förderung der Netzwerkstelle unmittelbar beantragen und wird sie als örtlicher Träger der öffentlichen Jugendhilfe ab 08/2022 selbst betrieben.


Finanzielle Auswirkungen:

Kosten für den Landkreis: 92.000

  EUR

Jährliche Folgekosten: 220.000

  EUR

Mittel bereits veranschlagt?

  Nein

Haushaltsjahr: 2022

Haushaltsstelle: 3.6.3.10. ?

Bemerkungen: