Betreff
Entscheidung der Zulässigkeit des Einwohnerantrages gemäß § 25 Abs. 5 Kommunalverfassungsgesetz Land Sachsen-Anhalt (KVG LSA) zum Thema Impfpflicht im Gesundheitsbereich sowie allgemeine Impfpflicht
Vorlage
467/2022
Aktenzeichen
467/2022
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Gemäß § 25 Abs. 5 KVG LSA stellt die Vertretung die Zulässigkeit eines Einwohnerantrages in öffentlicher Sitzung fest.

Der eingereichte Einwohnerantrag ist nicht zulässig, da es sich um keine Angelegenheit des eigenen Wirkungskreises (§ 25 Abs. 1, Satz 2 KVG LSA) handelt und wird durch den Kreistag Stendal zurückgewiesen.

Gegen die Zurückweisung des Einwohnerantrages kann gemäß § 25 Abs. 6 KVG LSA jeder Unterzeichner den Verwaltungsrechtsweg beschreiten.


Sachverhalt:

 

Mit Datum vom 11.02.2022 übergab Herr Ulrich Siegmund Unterschriftenlisten mit der erforderlichen Anzahl stimmberechtigter Einwohner einschließlich eines Vermerkes, dass es sich um einen Einwohnerantrag gemäß § 25 Kommunalverfassungsgesetz Land Sachsen-Anhalt (KVG LSA) handele. Der Einwohnerantrag enthielt des Weiteren die Namen dreier Personen, die berechtigt sind, die Unterzeichnenden zu vertreten.

Der Einwohnerantrag beinhaltet anliegende Formulierung und schlussendlich folgende Forderungen:

(Anfang des Zitats):

„Der Bundestag hat am 10.12.2021 eine Impfpflicht für die Gesundheitsberufe beschlossen. Daraus ergibt sich eine „einrichtungsbezogene Impfpflicht“ für das betroffene Personal (u.a. in Krankenhäusern, Arztpraxen, Pflegeeinrichtungen und –dienste, aber auch Rettungsdienste). Die betroffenen Einrichtungen müssen diejenigen Mitarbeiter, die bis zum Ablauf des 15.03.2022 keinen Impf- oder Genesenennachweis oder ein ärztliches Zeugnis über eine medizinische Kontraindikation vorlegen, beim Gesundheitsamt melden. Das Gesundheitsamt kann dann im Rahmen der Infektionsschutzkontrolle ab dem 16.03.2022 Tätigkeits- bzw. Aufenthaltsverbote aussprechen. Viele ungeimpfte Mitarbeiter im Gesundheitsbereich sind genesen und auch nach 6 Monaten noch immun. Diese medizinisch sinnvollen und andere nachvollziehbaren Entscheidungen gegen eine Impfung mit bedingt zugelassenen Impfstoffen ohne Langzeitdaten dürfen nicht zum faktischen Jobverlust führen. Angesichts einer drohenden Unterversorgung im Gesundheitsbereich unseres Landkreises, muss vor Durchsetzung etwaiger Tätigkeits- bzw. Aufenthaltsverbote eine Erhebung über die Folgen erfolgen und der Vollzug ausgesetzt werden.

Wir fordern daher: Ein Zusammenbruch des Gesundheitswesens durch einen Impfzwang muss verhindert werden. Eine allgemeine Impfpflicht verbietet sich!

Wir, die unterzeichnenden Bürger des Landkreises Stendal, fordern den Kreistag auf:

1.      Vom Landrat einzufordern, die Durchsetzung der Tätigkeits- bzw. Aufenthaltsverbote solange auszusetzen, bis klar ist, dass eine Unterversorgung in allen Bereichen des Gesundheitsbereiches ausgeschlossen werden kann.

2.      Sich als Volksvertreter der Bewohner des Landkreises Stendal in Form einer Resolution gegen eine allgemeine Impfpflicht zu positionieren!“

(Ende des Zitats)

Rechtliche Würdigung des Einwohnerantrages

Gemäß § 25 Abs. 1, Satz 2 Kommunalverfassungsgesetz Land Sachsen-Anhalt (KVG LSA) dürfen Einwohneranträge nur Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises der Kommune zum Gegenstand haben, die in der gesetzlichen Zuständigkeit der Vertretung liegen.

An der Erfüllung dieser materiellen Voraussetzungen fehlt es bereits, da der Kreistag Stendal mit dem Einwohnerantrag aufgefordert wird, dem Landrat Weisungen zum Vollzug des Infektionsschutzgesetzes zu erteilen. So etwa die Durchsetzung von Tätigkeits- bzw. Aufenthaltsverbote so lange auszusetzen, bis eine Unterversorgung in allen Gesundheitsbereichen ausgeschlossen werden kann.

Ein solches Anliegen zielt auf § 20a Abs. 5 Infektionsschutzgesetz (IfSG) ab. Dies ist keine Angelegenheit, die nach § 25 Abs. 1 Satz 2 KVG LSA zum Gegenstand eines Einwohnerantrages gemacht werden kann. Denn die Aufgabe, Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz zur Verhütung und Bekämpfung auf Menschen übertragbarer Krankheiten, einschließlich der Planung von Abwehrmaßnahmen für den Seuchenfall, nach Maßgabe der bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften durchzuführen, erfüllen u.a. die Landkreise als Angelegenheit des übertragenen Wirkungskreises.

Innerhalb des Landkreises Stendal erledigt der Landrat die Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises in eigener Zuständigkeit, soweit gesetzlich nichts Anderes bestimmt ist. Der Vollzug von Maßnahmen des Infektionsschutzgesetzes, wie § 20a Abs. 5 IfSG, ist eine staatliche Aufgabe im übertragenen Wirkungskreis, deren unmittelbare Wahrnehmung nach § 66 Abs. 4 KVG LSA dem Landrat vorbehalten ist (OVG LSA, Beschluss vom 25. Januar 2021, 3 R 2/21, juris, Rn. 32, 33). Der Vertretung kommt beim Vollzug des Infektionsschutzgesetzes somit keine gesetzliche Entscheidungskompetenz zu. Auch Weisungen, die in die ausschließliche Zuständigkeit des Landrates bei der Wahrnehmung von Aufgaben nach dem Infektionsschutzgesetz eingreifen, sind unzulässig und können nicht zum Gegenstand eines Einwohnerantrages gemacht werden.

Auch im Übrigen muss der Kreistag die Grenzen der Zuständigkeit der Kommune, insbesondere die verfassungsrechtliche Zuständigkeitsordnung, beachten.

Die von der Vertretung gefassten Beschlüsse ergehen, auch soweit der Kreistag sich in der Form von Appellen, Resolutionen oder symbolischer Entschließungen äußert, in Ausübung gesetzlich gebundener öffentlicher Gewalt und bedürfen daher der Rechtsgrundlage (BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1990, 7 C 37/89, NVwZ 1991, 682).

Als Rechtgrundlage kommt, sofern keine spezialgesetzliche Zuständigkeit besteht, die in Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz (GG) gewährleistete Befugnis in Betracht, Angelegenheiten ihres gesetzlichen Aufgabenbereichs (Landkreise) im Rahmen der Gesetze zu regeln.

Den Landkreisen steht das Recht der kommunalen Selbstverwaltung gemäß Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG nur im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches zu. Das bedeutet, dass sich ein Kreistag grundsätzlich nur mit solchen Angelegenheiten befassen darf, die den Landkreisen durch Gesetz als Selbstverwaltungsaufgaben zugewiesen sind.

Überörtliche Angelegenheiten bzw. Angelegenheiten, die in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Hoheitsträgers (Bund, Land etc.) fallen und damit außerhalb der kommunalen Entscheidungskompetenz liegen, sind einem Einwohnerantrag nicht zugänglich, wenn die Angelegenheiten aus dem Selbstverwaltungsrecht abzuleitende Rechtspositionen oder gesetzlich eingeräumte Beteiligungsrechte der Kommune nicht konkret berühren.

Ausgehend von diesen Grundsätzen überschreitet die Behandlung des Themas „Einführung einer allgemeinen Impfpflicht“ den durch Art. 28 Abs. 2 GG gezogenen Wirkungskreis der Kommunen. Die bundesweite, hochpolitische Frage der Einführung einer Impfpflicht, mithin einer Angelegenheit in Bundeskompetenz auf dem Gebiet des Infektionsschutzes, trifft die einzelne Kommune nicht ortsspezifisch, d.h. stärker oder deutlich anders als andere Kommunen, sondern die Allgemeinheit der Kommunen. Der Befassung mit einer allgemeinen Impfpflicht fehlt es insofern an der erforderlichen Verfestigung, um sie zur Angelegenheit des örtlichen Wirkungskreises einer bestimmten Kommune werden zu lassen und eine der gesetzlichen Aufgabenverteilung entsprechende Behandlung in der Vertretung möglich zu machen. Die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht ist insoweit keine Angelegenheit, die einem Einwohnerantrag zugänglich ist.

Somit ist der vorliegende Einwohnerantrag nicht zulässig.