Beschlussvorschlag:
Gemäß § 25 Abs. 5
KVG LSA stellt die Vertretung die Zulässigkeit eines Einwohnerantrages in
öffentlicher Sitzung fest.
Der eingereichte
Einwohnerantrag ist nicht zulässig, da es sich um keine Angelegenheit des
eigenen Wirkungskreises (§ 25 Abs. 1, Satz 2 KVG LSA) handelt und wird durch
den Kreistag Stendal zurückgewiesen.
Gegen die
Zurückweisung des Einwohnerantrages kann gemäß § 25 Abs. 6 KVG LSA jeder
Unterzeichner den Verwaltungsrechtsweg beschreiten.
Sachverhalt:
Mit Datum vom 11.02.2022 übergab Herr
Ulrich Siegmund Unterschriftenlisten mit der erforderlichen Anzahl stimmberechtigter
Einwohner einschließlich eines Vermerkes, dass es sich um einen Einwohnerantrag
gemäß § 25 Kommunalverfassungsgesetz Land Sachsen-Anhalt (KVG LSA) handele. Der
Einwohnerantrag enthielt des Weiteren die Namen dreier Personen, die berechtigt
sind, die Unterzeichnenden zu vertreten.
Der Einwohnerantrag beinhaltet
anliegende Formulierung und schlussendlich folgende Forderungen:
(Anfang des Zitats):
„Der Bundestag hat am 10.12.2021 eine
Impfpflicht für die Gesundheitsberufe beschlossen. Daraus ergibt sich eine
„einrichtungsbezogene Impfpflicht“ für das betroffene Personal (u.a. in
Krankenhäusern, Arztpraxen, Pflegeeinrichtungen und –dienste, aber auch
Rettungsdienste). Die betroffenen Einrichtungen müssen diejenigen Mitarbeiter,
die bis zum Ablauf des 15.03.2022 keinen Impf- oder Genesenennachweis oder ein
ärztliches Zeugnis über eine medizinische Kontraindikation vorlegen, beim
Gesundheitsamt melden. Das Gesundheitsamt kann dann im Rahmen der
Infektionsschutzkontrolle ab dem 16.03.2022 Tätigkeits- bzw. Aufenthaltsverbote
aussprechen. Viele ungeimpfte Mitarbeiter im Gesundheitsbereich sind genesen
und auch nach 6 Monaten noch immun. Diese medizinisch sinnvollen und andere
nachvollziehbaren Entscheidungen gegen eine Impfung mit bedingt zugelassenen
Impfstoffen ohne Langzeitdaten dürfen nicht zum faktischen Jobverlust führen.
Angesichts einer drohenden Unterversorgung im Gesundheitsbereich unseres
Landkreises, muss vor Durchsetzung etwaiger Tätigkeits- bzw. Aufenthaltsverbote
eine Erhebung über die Folgen erfolgen und der Vollzug ausgesetzt werden.
Wir fordern daher: Ein Zusammenbruch
des Gesundheitswesens durch einen Impfzwang muss verhindert werden. Eine
allgemeine Impfpflicht verbietet sich!
Wir, die unterzeichnenden Bürger des
Landkreises Stendal, fordern den Kreistag auf:
1.
Vom Landrat einzufordern, die
Durchsetzung der Tätigkeits- bzw. Aufenthaltsverbote solange auszusetzen, bis
klar ist, dass eine Unterversorgung in allen Bereichen des Gesundheitsbereiches
ausgeschlossen werden kann.
2.
Sich als Volksvertreter der Bewohner
des Landkreises Stendal in Form einer Resolution gegen eine allgemeine
Impfpflicht zu positionieren!“
(Ende des Zitats)
Rechtliche Würdigung des Einwohnerantrages
Gemäß § 25 Abs. 1, Satz 2
Kommunalverfassungsgesetz Land Sachsen-Anhalt (KVG LSA) dürfen Einwohneranträge
nur Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises der Kommune zum Gegenstand
haben, die in der gesetzlichen Zuständigkeit der Vertretung liegen.
An der Erfüllung dieser materiellen
Voraussetzungen fehlt es bereits, da der Kreistag Stendal mit dem
Einwohnerantrag aufgefordert wird, dem Landrat Weisungen zum Vollzug des
Infektionsschutzgesetzes zu erteilen. So etwa die Durchsetzung von Tätigkeits-
bzw. Aufenthaltsverbote so lange auszusetzen, bis eine Unterversorgung in allen
Gesundheitsbereichen ausgeschlossen werden kann.
Ein solches Anliegen zielt auf § 20a
Abs. 5 Infektionsschutzgesetz (IfSG) ab. Dies ist keine Angelegenheit, die nach
§ 25 Abs. 1 Satz 2 KVG LSA zum Gegenstand eines Einwohnerantrages gemacht
werden kann. Denn die Aufgabe, Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz zur
Verhütung und Bekämpfung auf Menschen übertragbarer Krankheiten, einschließlich
der Planung von Abwehrmaßnahmen für den Seuchenfall, nach Maßgabe der bundes-
oder landesrechtlichen Vorschriften durchzuführen, erfüllen u.a. die Landkreise
als Angelegenheit des übertragenen Wirkungskreises.
Innerhalb des Landkreises Stendal
erledigt der Landrat die Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises in eigener
Zuständigkeit, soweit gesetzlich nichts Anderes bestimmt ist. Der Vollzug von
Maßnahmen des Infektionsschutzgesetzes, wie § 20a Abs. 5 IfSG, ist eine
staatliche Aufgabe im übertragenen Wirkungskreis, deren unmittelbare
Wahrnehmung nach § 66 Abs. 4 KVG LSA dem Landrat vorbehalten ist (OVG LSA,
Beschluss vom 25. Januar 2021, 3 R 2/21, juris, Rn. 32, 33). Der Vertretung
kommt beim Vollzug des Infektionsschutzgesetzes somit keine gesetzliche Entscheidungskompetenz
zu. Auch Weisungen, die in die ausschließliche Zuständigkeit des Landrates bei
der Wahrnehmung von Aufgaben nach dem Infektionsschutzgesetz eingreifen, sind
unzulässig und können nicht zum Gegenstand eines Einwohnerantrages gemacht
werden.
Auch im Übrigen muss der Kreistag die
Grenzen der Zuständigkeit der Kommune, insbesondere die verfassungsrechtliche
Zuständigkeitsordnung, beachten.
Die von der Vertretung gefassten
Beschlüsse ergehen, auch soweit der Kreistag sich in der Form von Appellen,
Resolutionen oder symbolischer Entschließungen äußert, in Ausübung gesetzlich
gebundener öffentlicher Gewalt und bedürfen daher der Rechtsgrundlage (BVerwG,
Urteil vom 14. Dezember 1990, 7 C 37/89, NVwZ 1991, 682).
Als Rechtgrundlage kommt, sofern keine
spezialgesetzliche Zuständigkeit besteht, die in Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz
(GG) gewährleistete Befugnis in Betracht, Angelegenheiten ihres gesetzlichen
Aufgabenbereichs (Landkreise) im Rahmen der Gesetze zu regeln.
Den Landkreisen steht das Recht der
kommunalen Selbstverwaltung gemäß Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG nur im Rahmen ihres
gesetzlichen Aufgabenbereiches zu. Das bedeutet, dass sich ein Kreistag grundsätzlich
nur mit solchen Angelegenheiten befassen darf, die den Landkreisen durch Gesetz
als Selbstverwaltungsaufgaben zugewiesen sind.
Überörtliche Angelegenheiten bzw.
Angelegenheiten, die in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Hoheitsträgers
(Bund, Land etc.) fallen und damit außerhalb der kommunalen
Entscheidungskompetenz liegen, sind einem Einwohnerantrag nicht zugänglich,
wenn die Angelegenheiten aus dem Selbstverwaltungsrecht abzuleitende
Rechtspositionen oder gesetzlich eingeräumte Beteiligungsrechte der Kommune
nicht konkret berühren.
Ausgehend von diesen Grundsätzen
überschreitet die Behandlung des Themas „Einführung einer allgemeinen
Impfpflicht“ den durch Art. 28 Abs. 2 GG gezogenen Wirkungskreis der Kommunen.
Die bundesweite, hochpolitische Frage der Einführung einer Impfpflicht, mithin
einer Angelegenheit in Bundeskompetenz auf dem Gebiet des Infektionsschutzes,
trifft die einzelne Kommune nicht ortsspezifisch, d.h. stärker oder deutlich
anders als andere Kommunen, sondern die Allgemeinheit der Kommunen. Der
Befassung mit einer allgemeinen Impfpflicht fehlt es insofern an der
erforderlichen Verfestigung, um sie zur Angelegenheit des örtlichen
Wirkungskreises einer bestimmten Kommune werden zu lassen und eine der
gesetzlichen Aufgabenverteilung entsprechende Behandlung in der Vertretung
möglich zu machen. Die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht ist insoweit
keine Angelegenheit, die einem Einwohnerantrag zugänglich ist.
Somit ist der vorliegende
Einwohnerantrag nicht zulässig.